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Indonesiens Inseln„Die Welt ist so groß hier!“

Der indonesische Archipel besteht aus 17.505 Inseln und erstreckt sich zwischen Asien und Australien. Flores bietet Touristen einfach alles.

Über die Schönheit von Flores ist wenig bekannt. Bild: dpa

„Mama!“ Meine Tochter scheint vor Begeisterung beinahe zu platzen, während sie aus dem Autofenster zeigt. „Mama, schau doch! Die Welt ist so groß hier!“ Sie hat absolut Recht. Wir sind gerade aus Java gekommen, aus einer der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt. Und finden uns in einem anderen Universum wieder.

Ab und an ein Dorf mit Holzhäusern, ab und zu ein Schwein, das über die Straße galoppiert, oder ein paar Ziegen, deren Meckern uns kurz begleitet. Ansonsten schweift der Blick entlang der Straße ins endlose Grün der Reisfelder und Wälder, zu Hügelketten und Vulkanen.

Die meisten der Touristen, die wie wir mit dem Flugzeug in Labuan Bajo am westlichsten Zipfel von Flores gelandet sind, werden dort bleiben. Sie wollen die berühmten Warane sehen. Vielleicht tauchen. Während der Komodo Flores Nationalpark vor der Westküste der Insel von den Behörden aufs Heftigste vermarktet wird, ist über die Schönheit von Flores selbst wenig bekannt.

Wir möchten es kennen lernen, das Fleckchen Erde, dem portugiesische Seeleute einst seinen klangvollen Namen verliehen. Leonardus Nyoman, genannt Leo, ein erfahrener Guide und Inhaber von Flores Exotic Tours, wird uns seine Heimat zeigen. Ruteng, die Haupstadt von Westmanggarai, ist unsere erste Station.

Hobbit und Mensch

Das Gebiet um Ruteng werde auch „die Reisschüssel von Flores“ genannt, erklärt uns Leo. Um uns herum, wohin man schaut, fällt der Blick auf die grüne Pracht in terrassenartig angelegten Feldern. Die fruchtbare Region ist auch eines der größten Kaffeeanbaugebiete Indonesiens. Ruteng, die geschäftige Kleinstadt mit ihrem angenehm kühlen Klima, ist der perfekte Ausgangsort für Wandertouren ins Umland – zum Gunung Ranaka, oder zum Danau Rana Mese, dessen kristallklares Wasser dem Besucher den Blick bis zum Grund ermöglicht.

Seit 2003 hat Ruteng noch eine Attraktion mehr. Damals entdeckten australische Wissenschaftler in der Höhle Liang Bua rund 15 Kilometer nördlich der Stadt das Skelett eines nur gut einen Meter großen Frühmenschen. Das Homo floresiensis genannte Exemplar lebte vor rund 18.000 Jahren und ist das bisher kleinste bekannte Mitglied der Gattung Homo, zu der auch Homo erectus und Homo sapiens zählen. Die Tropfsteinhöhle und die Erzählungen Leos über den Fund, der Wissenschaftsgeschichte schrieb, lassen uns staunen und auf eine Zeitreise in die Welt der wegen ihrer geringen Größe auch „Hobbit“ genannten Frühmenschen gehen.

Zurück gekehrt in die Gegenwart, setzen wir unsere Fahrt fort nach Bajawa. Unterwegs bekommen wir einen Eindruck von der lokalen Tradition der Mole-Brennerei. Zweimal am Tag steigen die Männer in die Lontarpalmen hinauf und holen den Saft, der aus den angeritzten Stämmen läuft und in Kokosnussschalen aufgefangen wird. In Steinguttöpfen über offenem Feuer wird der Schnaps gebrannt und in langen Bambusrohren destilliert. Die „offizielle“ Alkoholangabe beträgt 30 Prozent, was wir nach einer ersten Verkostung für stark untertrieben halten.

Im spirituellen Austausch mit den Ahnen

Aus Bajawa führt unser Weg nach Süden in die Welt des Ngada-Volkes. Obwohl dessen Vertreter – wie die Mehrzahl der Menschen in Flores – katholisch sind, haben sie sich ihre jahrhundertealte Tradition erhalten. Beinahe in jedem Dorf findet der Besucher Spuren der alten Megalithkultur und Schreine, die Männlichkeit (ngadhu) und Weiblichkeit (bhaga) symbolisieren. Bena, malerisch am Fuß des Inerie-Vulkans gelegen, ist eines der Zentren der Ngada-Kultur. In zwei Reihen gruppieren sich traditionelle Holzhäuser mit Elefantengras-Dächern um einen Platz, der als Friedhof und Ort der Ahnenverehrung dient. Und als Ort, an dem die Dorfältesten – im spirituellen Austausch mit den Ahnen – wichtige Entscheidungen treffen.

„Der Tourismus hat Bena zu bescheidenem Wohlstand verholfen“, sagt unser Führer Leonardus. Das gelte leider nicht für alle Teile der Insel Flores, fügt er hinzu. Sie gehört trotz ihres natürlichen Reichtums zu den ärmsten Regionen Indonesiens. Viele Bauern sind auf Großabnehmer von außerhalb angewiesen, weil lokale Absatzmärkte zu wenig erschlossen sind. Diese Abnehmer können die Preise drücken, so dass nicht viel Gewinn bei den Bauern verbleibt. Schlechte Bildungschancen und mangelhafte Gesundheitsversorgung setzen die Spirale der Armut fort.

Leo versucht, mit seinem Reiseunternehmen nachhaltigen Tourismus in Flores zu fördern. Er organisiert individuelle Touren, macht seine Gäste auf Umwelt- und soziale Probleme aufmerksam. „Gebt bettelnden Dorfbewohnern kein Geld“, sagt Leo. Der Kauf ihrer Produkte unterstütze die Menschen in Flores auf nachhaltigere Weise, so Leo. Zu diesem Zweck haben er und seine Familie auch eine Stiftung gegründet, die armen Schulabbrechern die Rückkehr in die Schule ermöglicht.

Von Bena, beinahe am südlichsten Zipfel von Flores gelegen, fahren wir einmal über die Insel bis ganz in den Norden. Der Marinepark von Riung ist unser nächstes Ziel. Am nächsten Morgen brechen wir sehr früh auf zu einer Bootsfahrt durch den „Park der 17 Inseln“, eine Reminiszenz an den indonesischen Unabhängigkeitstag am 17. August – obwohl die Inseln eigentlich mehr als 20 sind.

Ein Schwirren und Pfeifen

Ontoloe, die größte Insel des Parks, ist unsere erste Station. Langsam nähert sich das Boot der mit Mangroven gesäumten Nordküste. Was hängt da Schwarzes in den Wipfeln der Mangroven? Von Weitem sieht es aus wie überdimensionale, vertrocknete Blätter. Plötzlich fängt der Bootsführer an zu klatschen und zu rufen. Und auf einmal fliegen „die Blätter“ los. Es sind Flughunde. Es müssen Hunderte sein. Ihr Schwirren und Pfeifen erfüllt die Luft – ein Spektakel.

Das Boot fährt weiter und bringt uns in eine Welt aus türkisfarbenem Wasser und weißen Stränden. Das Boot hält an – an einem menschenleeren Strand. Wir gehen auf Schnorcheltour, lassen uns treiben im flachen, warmen Wasser und verzaubern von intakter Unterwasserwelt, von Korallenfischen in allen Farben. Währenddessen haben unsere Begleiter aus wenigen Holzstöcken ein kleines Rost gebaut und servieren gegrillten Fisch und Reis.

Paradiesischer geht es nicht. Denken wir. Doch dann brechen wir zur nächsten Insel auf und werden eines Besseren belehrt. Die gleißende Mittagssonne bescheint einen einsamen, schneeweißen Strand. Im türkisfarbenen flachen Wasser liegen Dutzende von Seesternen. Ein Spaziergang auf einen Hügel gibt den Blick frei auf die geschwungene Bucht und das Glitzern des Meeres, das bis hinüber zur Nordküste von Flores reicht. Schweigend, berauscht von dieser Schönheit und beruhigt vom Gleichmut der Wellen, treten wir schließlich die Rückfahrt zum Hafen von Riung an.

Zurück geht es gen Süden, mehrere Stunden über eine holprige, staubige Straße. In der Nähe der Distrikthauptstadt Ende an der Südküste von Flores halten wir an einem Strand. Doch er ist nicht bedeckt von Sand, sondern von rund gewaschenen türkisfarbenen Steinen. Mehrere Männer und Frauen sammeln sie auf und füllen sie in große Säcke. Für ein Kilo bekommen sie 600 Rupiah von den Händlern, die sie nach Bali und Surabaya verschiffen, von wo sie ihren Weg in Einrichtungsgeschäfte für den gehobenen Geschmack antreten.

Wir fahren wieder hinauf in die Berge in das Dorf Moni, um am nächsten Morgen den sagenumwobenen Kelimutu zu besteigen. Ein Jeep bringt uns noch im Dunkeln zum Fuß des Vulkans, dann laufen wir hinauf – ein Spaziergang von etwa einem Kilometer, für den man zum Glück nicht die Kondition eines Bergsteigers braucht. „Mal sehen, ob uns die Geister des Berges wohlgesonnen sind“, sagt Leo mit einem Augenzwinkern. Nicht immer zeigt sich der Kelimutu seinen Besuchern, oft ist er in Wolken gehüllt. Im Morgengrauen sitzen wir am Gipfel des beinahe 1.700 Meter hohen Berges, dankbar für unsere mitgebrachten Fleecejacken und den heißen Kaffee, den findige Verkäufer anbieten – hier herrschen keine tropischen Temperaturen mehr.

Sonnenaufgang am Kratersee

Wir haben Glück. Die aufgehende Sonne strahlt aus einem stahlblauen Himmel. Nach und nach erleuchtet sie die drei Kraterseen des Kelimutu. Direkt vor uns liegt der türkisfarbene Danau Tiwu Nuamuri Koofai, daneben der schokoladenbraune Danau Tiwu Ata Polo und gegenüber der beinahe wie ein „normaler“ Bergsee aussehende dunkelgrüne Danau Tiwu Ata Mbupu. Dem Glauben der Lokalbevölkerung nach wandern die Seelen der Verstorbenen in diese Seen: die der Kinder in den türkisfarbenen, die der Erwachsenen in den dunkelgrünen.

Aber nur solange sie ihr Sündenregister nicht überstrapaziert haben – den bösen Seelen ist der braune See vorbehalten. Wir bestaunen das surreale Farbenspiel der Seen im Morgenlicht. Meine Tochter– begeistert von der Entdeckung, dass Instant-Nudel-Verkäufer es bis auf heilige Berge schaffen, verfüttert ihre mitgebrachten Frühstücksmöhren an die herumlungernden Affen. Auf dass die Geister des Berges gnädig sind.

Zehn Tage waren wir auf der Blumeninsel unterwegs. Haben die Schönheit bewundert, haben Reis gepflanzt, Kaffee gestampft, haben in uralten Häusern gesessen und die Gastfreundschaft und Geschichten ihrer Bewohner genossen. Wer den gehobenen Standard von Bali gewöhnt ist, wird sich auf Flores umstellen müssen. Wer aber die geradlinige Freundlichkeit der Menschen und die Schönheit der Natur vorzieht, wird die Blumeninsel lieben. Und wird wieder kommen. Nach Flores, wo die Welt einfach größer ist.

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