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Die WahrheitSchwabmünchen 21

Was Stuttgart, München und Berlin können, kann Schwabmünchen schon lange: Deutschlands Provinz baut teurer und länger.

Preisexplosionen am Bau bringen Peter Ramsauer zum Strahlen – egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Bild: dpa

Ich hab das so satt!“, Laurenz Meier, Bürgermeister von Schwabmünchen, schlägt mit der Faust auf das Podium. Der Saal im Restaurant „Zur goldenen Nase“ ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Bürger hängen an Meiers Lippen. „Alle schauen nur auf diese Großstädte, Hamburg, Stuttgart und Berlin sowieso!“ Meier läuft rot an: „Von wegen Provinz! Was die können, das können wir schon lange!“

Er reckt einen schmalen Papierstapel in die Luft. „Der Neubau des St.-Michael-Kindergartens ist die größte Investition, die die Stadt Schwabmünchen in diesem Jahr tätigt. Aber wer glaubt, wir begnügen uns mit dem, was im Haushalt vorgesehen ist, der hat sich verrechnet. Hier!“ Meier deutet auf eine Zahlenkolonne: „650.000!“

Durch den Saal geht ein Raunen. Meier strahlt in die Kamera des regionalen Fernsehsenders: „650.000 Euro mehr als geplant!“ Tosender Applaus brandet auf. Meier lächelt schelmisch. „Zum Glück kamen auf den letzten Drücker noch die Handwerkerkosten rein. Sonst wäre das natürlich in der Höhe nicht drin gewesen.“

Es geht ein Preisruck durch die deutsche Provinz, nicht nur in Schwabmünchen. Von überall her tönt frohe Kunde: „Der Gammertinger Gemeinderat hat beschlossen, die Kneippanlage auf dem Freizeitgelände zwischen Gammertingen und Bronnen von Grund auf zu erneuern. 133.000 Euro Gesamtkosten hatte der Architekt berechnet. Jetzt werden es wohl 172.000 Euro.“ – „Der Umbau der Burgbergschule in Richen, Landkreis Heilbronn, wird 17.000 Euro teurer als ursprünglich geplant.“ – „Die energetische Sanierung der Wildsteiger Gemeindehalle kommt deutlich teurer als anfangs geschätzt. Im Gemeinderat lag jetzt die Endabrechung vor: 863.000 Euro sind fällig.“ Und ebenfalls „die neue Buswendeschleife am Salzacker im Greizer Ortsteil Obergrochlitz ist teurer geworden als vorgesehen“.

Laut einer aktuellen Blitzbefragung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat sich das Stimmungsbild in vielen Kommunen deutlich verbessert. Die Haushaltslage werde nicht mehr als „Bedrohung“ wahrgenommen, sondern vielmehr als „Herausforderung, um den nötigen Strukturwandel erfolgreich zu meistern“, erklärt die KfW. „Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Elbphilharmonie, das können Sie doch vergessen“, brüllt Bürgermeister Meier bei der dritten Maß Bier dem Reporter einer überregionalen Tageszeitung ins Ohr. „Wir zeigen: Deutschland kann mehr!“

Nicht „moralisieren“

„Natürlich können wir uns nicht mit Stuttgart vergleichen“, sagt ein Gemeindevertreter aus dem badischen Bad Säckingen, „Mehrkosten von 2,8 Milliarden Euro, wie soll eine kleine Gemeinde so was stemmen? Aber wir agieren im Rahmen unserer Möglichkeiten.“ Immerhin könne er mit einer Kostensteigerung von 176.000 Euro beim Neubau des Kindergartens St. Elisabeth aufwarten.

Sein Ministerpräsident lobt die „Initiativen“ aus den deutschen Regionen: „Die Menschen in unserem Land sind eben klug – nicht nur die Bürgermeister, auch die Bürger“, sagt Winfried Kretschmann. „Das hat auch der Volksentscheid zu Stuttgart 21 gesagt: Ihr baut jetzt bitte!“ Da dürfe man nicht „moralisieren“. „Es gab eben keine Mehrheit für einen Ausstieg des Landes aus der Finanzierung. Und jeder gute Demokrat hat sich natürlich daran zu halten, das gilt für Buswendeschleifen wie für Tiefbahnhöfe.“

Laut Klaus Wowereit beweist das „lokale Engagement aus West und Ost“, dass vor allem die Hauptstadt ihrer „einenden Vorbildfunktion“ gerecht werde. So könnten nicht nur die großen Städte wie Berlin eine rasante Wirtschaftsentwicklung erfahren, erklärt der Regierende Bürgermeister: „Auch das deutsche Dorf hat das Potenzial, das volkswirtschaftliche Wachstum voranzubringen.“

„Produktionsneutrales Wachstum, das ist die Zukunft“

Die Bundesregierung zeigt sich ebenso begeistert: „Produktionsneutrales Wachstum, das ist die Zukunft“, sagt Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Es steigere nicht nur das Bruttosozialprodukt, „es gibt auch nichts Ökologischeres, als mehr Geld in die Wirtschaft zu stecken, ohne auch nur einen Stein zusätzlich zu verbauen“.

Der Neubau des St.-Michael-Kindergartens in Schwabmünchen soll sogar als „Musterbeispiel“ in das Planungsvereinfachungsgesetz sowie in das „Handbuch für mehr Bürgerbeteiligung“ aufgenommen werden. „Der kleine Mann kann sich 650.000 Euro ja viel besser vorstellen, so viel kostet gerade eine 40-Quadratmeter-Wohnung in München“, sagt der zuständige Verkehrsminister Peter Ramsauer. „So erhöhen wir die Zustimmung zu Projekten, indem wir die Bürger mitnehmen.“

Auf diese Weise wolle er die „positive Energie“ der „Dafür-Mentalität“ stärken. Zudem werde der Kindergarten seine Kosten „selbst erwirtschaften“ – durch Bürgerbeteiligung: Man habe bereits einen Waffelstand eingerichtet, der von Müttern betrieben werde. Ramsauer erklärt stolz: „Das sind die Ideen, die Deutschland braucht.“

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2 Kommentare

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  • P
    PeterPan

    "Deutschland kann mehr!" - brüllt der Provinzbürgermeister. Und meint damit, dass Deutschland mehr kann, als immer mehr Geld für Dinge auszugeben, deren Kosten niedriger angesetzt waren ?

    Klar kann Deutschland mehr - Deutschland leistet sich zum Beispiel einen Umverteilungswahn, auch als immer weiter auseinander klaffende Schere bezeichnet, den anscheinend niemand wirklich problematisch findet. Und es geht in dem Artikel noch besser: Kretschmann folgert aus der Volksabstimmungs-Farce in Baden-Württemberg, dass man da nicht moralisieren dürfe. Mag sein. Aber man muss schon drauf hinweisen dürfen, dass diese VArce ein David-Goliath Kampf war, den Goliath gewann, weil er die volleren Taschen hat. Und eben da hinkt auch der Vergleich zwichen der Buswendeschleife und dem Tiefbahnhof. Bei der Buswendeschleife geht es wirklich "nur" um die Mehrkosten. Bei Stuttgart-21 geht es um etwas ganz anderes: Es geht darum, ob der Staat, vertreten durch die Politik, noch in der Lage ist, ein beschlossenes Projekt auch gegen die Vernunft und auch gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. DAS meinte Fr.Merkel, als sie damit die Zukunftsfähigkeit Deutschlandes verband. Aus ihrer Sicht auch völlig logisch.

    Nur:

    Wieso dürfen unsere für ein paar Jahre gewählten Vertreter unser Volksvermögen verschleudern ?

    Warum darf man dagegen nicht intervenieren ?

    Warum gefährdet das die Staatsräson ?

    Weil das bei der Umverteilung von unten nach oben stört! - Der Satz "es gibt auch nichts Ökologischeres, als mehr Geld in die Wirtschaft zu stecken, ohne auch nur einen Stein zusätzlich zu verbauen" offenbart den ganzen Irrsinn:

    Es ist ökologisch, Geld ohne Gegenleistung in die Wirtschaft zu lenken ? Das geht noch effizienter: Das Steuergeld wird einfach direkt per Gießkannenprinzip wieder in die Wirtschaft gesteckt, die dafür nichts produziert und leistet. DAS wäre effizienteste Gewinnmaximierung. Viel Glück dabei, Herr Ramsauer.

  • SG
    Schmidt Georg

    Ramsauer ? Ramsauer? ist das der, den man von seinem Bauerhof in Bayern geholt hat und der, der Ramsauer, nun Minister spielen darf-Bayerliga-was Seehofer nach Berlin abgeschoben hat-feinstes Bauertheater- naja und Gemeindekosten-ist doch schön, wenn man so daneben tappt- man hat vergessen zu erwähnen, wieviel Stadtkämmerer Stadteigetum verkauft und das gewonnene Geld verzockt haben-aber Spass muss sein, sagte die Maus und biss in die Seife !