PRÄVENTIVSCHLAG GEGEN IRAN: NETANJAHUS GEFÄHRLICHER WAHLKAMPF
: Vorschlag ohne Vorbild

Benjamin Netanjahus loses Mundwerk ist allemal gut für Schlagzeilen. Er will der iranischen Atombedrohung ein Ende machen. Ein hochgestecktes Ziel, scheitert daran doch vorläufig die gesamte westliche Welt. Nicht zum ersten Mal stellt sich der ehemalige Elitesoldat in Pose: Ende der 90er-Jahre drohte Netanjahu Saddam Hussein mit einer Atombombe, sollte er Israel mit unkonventionellen Waffen angreifen. Damals war die Warnung wenigstens insofern ernst zu nehmen, da Netanjahu den Posten des Regierungschefs innehatte. Heute hat er gerade mal die Aussicht, Vorsitzender des Likud zu werden, einer Partei, die nach aktuellen Umfragen weniger als zehn Prozent der Wählerstimmen erreichen kann.

Netanjahu hofft, mit seiner eindrucksvollen Machtgebärde gegenüber Israels gefährlichstem Feind den Urnengang günstiger für sich ausgehen zu lassen. Dabei unterschätzt er nicht nur die Intelligenz potenzieller Anhänger, sondern er erhöht zusätzlich die Nervosität auf beiden Seiten. Sollte Israel, ob im Alleingang oder in Kooperation mit den USA, tatsächlich eine Bombardierung der iranischen Atomanlagen erwägen, dann tun die Politiker in Jerusalem gut daran, wenigstens nicht darüber zu reden. Hunde, die bellen, beißen nicht, heißt es. Aber sie riskieren Prügel.

Mit jedem Tag, an dem die Anreicherung iranischen Urans vorangetrieben wird, drängt die Regierung in Jerusalem dichter an eine Entscheidung heran. Hier ist ein Staat, dessen Regierungschef nicht nur die Absicht erklärt, Israel von der Landkarte zu tilgen, sondern der schon bald auch in der Lage dazu sein wird. Wäre ein Präventivschlag möglich, wie ihn Menachem Begin einst gegen den Atomreaktor in Irak lancierte, hätte Ministerpräsident Ariel Scharon längst zugeschlagen. Der Angriff 1981 auf Osirik war genial. Er legte das irakische Atom-Forschungsprogramm für Jahrzehnte lahm, ohne dass Unschuldige litten. Im Iran ist genau das Gegenteil zu erwarten: Israel kann es kaum allein gelingen, die Urananreicherung komplett zu stoppen. Gleichzeitig würde jeder Angriff zahllose Menschen das Leben kosten. SUSANNE KNAUL