piwik no script img

Nach ZwangsräumungVermieterin am Pranger

Legitime Kritik oder Rufmord? Eine Politikerin der Piratenpartei hat zum Boykott der Vermieterin von Rosemarie F. aufgerufen.

Protest nach dem Tod von Rosemarie F. Anfang April. Bild: dpa

Die ehemalige Vermieterin der im April zwangsgeräumten und kurz darauf verstorbenen Rosemarie F. wehrt sich gegen den Boykottaufruf durch eine Piratenpolitikerin. Birgit Hartig, die an F. eine Wohnung in Reinickendorf vermietete, betreibt ein Synchronstudio. Der Boykottaufruf kommt von der Neuköllner Direktkandidatin der Piraten für den Bundestag, Anne Helm.

Helm ist Synchronsprecherin und hatte den Aufruf in Form eines offenen Briefes unter KollegInnen verbreitet. Darin forderte sie dazu auf, Hartigs Synchronstudio nicht länger zu unterstützen und sich aus dem Register "dieser unseriösen Agentur" entfernen zu lassen.

In dem Brief, der der taz vorliegt, wird Hartig als skrupellose Spekulantin beschrieben, die die 67-jährige F. habe zwangsräumen lassen, obwohl diese schwerbehindert war und das Bezirksamt ihre Miete übernommen habe. Ein Beitrag des RBB für das ARD-Magazin Kontraste vom 16. Mai hat zuletzt ein anderes Bild der Vermieterin gezeichnet: Sie soll F. Angebote zur Lösung ihrer Mietsituation gemacht haben, auf die die Rentnerin nie einging. Helm kritisierte Hartig aber auch, weil diese auf ihrer Homepage mit prominenten SynchronsprecherInnen "ohne deren Wissen und Einverständnis" werbe.

Um auszuschließen, dass eine fremde Person den Namen von Anne Helm missbraucht, habe sie Kontakt mit ihr aufgenommen, sagt Hartig. In einem Gespräch habe die Piratin die Aussagen des Schreibens bekräftigt und sie weiter attackiert, so Hartig, die von einer "substanzlosen Lüge" und "Rufmord" spricht. Mit Bezug zu dem Aushang habe sie einen "großen Auftrag mit einer Provision über mehrere tausend Euro" verloren. Sie betreibe ihre Firma seit 13 Jahren erfolgreich und habe jetzt Unterlassungs- sowie Schadenersatzklage eingereicht.

Anne Helm bestätigt, dass der Aushang von ihr stammt. Sie sehe der Klage gelassen entgegen, twitterte sie vor einigen Tagen. Weitere Aussagen will sie zurzeit nicht machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • N
    nele

    zu Hartigs "Angeboten zur Lösung":

     

    Hartig stellte sich Rosemarie im August 2012 brieflich als neue Eigentümerin vor, kündigte ihr gleichzeitig die Wohnung und nahm dann Kontakt zum Sozialamt und Sozialpsychiatrischen Dienst auf. Als Kündigungsgrund gab sie - auch in weiteren Kündigungsschreiben - immer wieder Mietschulden an. Das Sozialamt hatte Monate vorher die Mietzahlungen wegen eines fehlenden Rentenbescheids eingestellt. Hartig wusste durch ihren Kontakt zum Sozialamt von Anfang an, dass das Sozialamt für die Mietzahlungen zuständig war und auch dazu bereit war. Mehrmals wurde Hartig oder ihrem Anwalt diese Tatsache schriftlich wie mündlich erklärt, sowohl von Rosemaries Anwalt, als auch von Aktivist_innen des Bündnis Zwangsräumung verhindern, als auch vom Sozialstadtrat Höhne. Hartig hätte, wenn sie die Miete hätte haben wollen, einfach ihre Kontonumer an das Sozialamt durchgeben können. Stattdessen sagte Birgit Hartigs Ehemann Ralph Hartig, auf die Mietübernahme-Zusicherung des Sozialamts direkt angesprochen, das sei ihm egal, Rosemarie könne "sich umbringen" oder "im Dschungel wohnen".

     

    Der Kündigungsgrund war also eine Täuschung.

    Zur Verschleierung dessen fuhren die Hartigs die bekannte Diffamierungsstrategie gegen Rosemarie. Dass der RBB diese u.a. mit der Kontraste-Sendung unterstützte, ist nicht wirklich verwunderlich - sind doch Hartig und der RBB Geschäftspartner.

     

    Eine unaufgeräumte Wohnung ist kein Kündigungsgrund, das wussten offenbar auch Hartig und ihr Anwalt, und die übrigen Vorwürfe hatten offenbar auch deutlich weniger Realitätsgehalt als für eine Kündigung der Wohnung ausgereicht hätte.

    Denn in allen Kündigungsschreiben wurden immer nur die angeblichen Mietrückstände als Grund angegeben, niemals irgendwelche anderen Verstöße gegen das Mietverhältnis.

     

    Rosemarie ist - juristisch gesehen - aufgrund eines Versäumnisurteils geräumt worden und nicht, weil sie irgendetwas im Mietverhältnis falsch gemacht hätte.

     

    Tatsächlich steigen die Mieten in dem Gebiet um Rosemaries Wohnung stark an, v.a. weil der Flughafen Tegel geschlossen wird. Eine Sozialmieterin wie Rosemarie passt halt nicht in diese Renditestrategie.