Chaotische Szenen im Saddam-Prozess

Im Verfahren gegen den ehemaligen Diktator des Irak verlässt die Verteidigung vorübergehend den Saal

KAIRO taz ■ Am dritten Prozesstag gegen den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Hussein ist es gestern zu tumultartigen Szenen gekommen. Zunächst hatte der Vorsitzende Richter Rizgar Amin sich geweigert, eine Erklärung des Verteidigungsteams über die Legitimität des Verfahrens anzuhören. Die Intervention kam vom ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark, der sich dem Team angeschlossen hatte. Auch ein weiterer Einwurf, diesmal vom früheren katarischen Justizminister Nadschi Nuami über den Schutz der Anwälte, wurde abgeschmettert. Einwände könnten nur schriftlich eingereicht werden, erklärte Amin.

„Ich brauche nur zwei Minuten“, warf Clark ein und drohte, den Saal mit allen Verteidigern zu verlassen. Daraufhin warnte Amin, dass das Gericht in diesem Falle Pflichtverteidiger bestellen werde. Saddam Hussein griff ein und sagte, er werde diese nicht anerkennen. „Lang lebe der Irak und lang lebe die arabische Nation“, riefen der Exdiktator und sein Halbbruder Barzan al-Tikriti. Als der Richter erklärte, dass er gemäß dem Gesetz handele, antwortete Saddam Hussein: „Dieses Gesetz ist von den Amerikanern gemacht und spiegelt nicht die irakische Souveränität wider.“ Daraufhin verließen die Verteidiger den Saal. Amin verkündete eine Verhandlungspause.

Als das Gericht anderthalb Stunden später erneut zusammentrat, gab Amin nach und erlaubte Clark, fünf Minuten zu sprechen. Clark argumentierte, dass eine Versöhnung für den Irak unerlässlich sei. Wenn der Prozess aber nicht fair sei, bestehe die Gefahr, dass sich der Graben zwischen den Bevölkerungsgruppen vertiefe. Eine Grundlage der Fairness sei der Schutz der Verteidiger, von denen bereits zwei ermordet wurden.

Als erster Zeuge wurde Ahmad Hassan Muhammad aufgerufen, der das Massaker in der schiitischen Kleinstadt Descheel 1982 miterlebt hatte, für das Saddam Hussein und sieben Mitangeklagte vor Gericht stehen. Nach einem versuchten Anschlag auf den damaligen Herrscher wurden unter der Leitung al-Tikritis 143 Männer und Jugendliche getötet. Der aufgewühlte Zeuge, der sein Gesicht offen zeigte, wünschte als Erstes al-Tikriti in die Hölle. Der unterbrach immer wieder die Aussage des Zeugen und bezeichnete ihn als „Mitglied des iranischen Geheimdienstes“. In dieser Woche sollen zehn Zeugen gehört werden, von denen acht ihre Identität nicht preisgeben werden.

Das Chaos im Gerichtssaal wird erneut Stimmen laut werden lassen, die fordern, Saddam Hussein vor ein internationales Gericht zu stellen. Diskutiert wird derzeit auch die Möglichkeit, ob das irakische Gericht außerhalb des Landes zusammentreten kann, um so die Sicherheit der Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Zeugen zu gewährleisten. KARIM EL-GAWHARY