Firmen fordern Schadenersatz von RWE

Nach den Stromausfällen in Nordrhein-Westfalen übersteigt die Summe der Schäden den vom Stromversorger RWE eingerichteten Notfonds vermutlich bei weitem. Grüne verlangen, die Haftung der Energieunternehmen zu erhöhen

AUS BERLIN HANNES KOCH

Die durch den Stromausfall in Nordrhein-Westfalen entstandenen Schäden sind erheblich teurer, als der Stromversorger RWE bislang kalkuliert hat. So beziffern die Betreiber von Windparks, die ihren Strom nicht in das RWE-Netz einspeisen können, die Ausfälle auf über zehn Millionen Euro. Der Konzern hat einen Notfonds mit bisher fünf Millionen Euro eingerichtet. „Das könnte eng werden“, sagt Wieland Pieper, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Münster.

Unter der Last von Schnee und Eis waren am 25. November mindestens fünfzig Strommasten der RWE-Überlandleitungen im Münsterland zusammengebrochen. In den am stärksten betroffenen Kreisen Borken, Metelen, Ochtrup und Steinfurt hatten rund 2.000 Firmen bis zu einer Woche lang keinen Strom oder mussten sich aus Notstromaggregaten versorgen. Hunderttausende Privatpersonen saßen vorübergehend in dunklen und nicht beheizbaren Wohnungen.

Nun werden die Kosten der Schäden analysiert, die man von RWE zurückfordern will. Heiner Konert, Landwirt und Geschäftsführer eines Windparks mit 13 Anlagen, schätzt den Ausfall „auf 350.000 bis 500.000 Euro pro Monat“. Weil die Verbindungsleitung ins RWE-Netz zerstört und bislang nicht repariert worden sei, könne der Windpark keinen Strom in die öffentlichen Kabel einspeisen und bekomme auch keine Einspeisevergütung. Ein benachbarter Windpark mit 25 Anlagen habe fünf Tage keinen Strom liefern können und einen Ausfall von 200.000 Euro zu verzeichnen, so Konert. Insgesamt seien „mindestens 15 Windenergie-Firmen“ betroffen. Das summiere sich auf Verluste in „niedriger zweistelliger Millionenhöhe“. Die Eigentümer der Windräder haben inzwischen einen Rechtsanwalt engagiert, der ihre Schadenersatzansprüche gegen RWE prüfen soll. Ein Gutachter nimmt Materialproben von den zerstörten Strommasten. Konert geht davon aus, dass der Stahl zu alt war. RWE hat am Wochenende eingeräumt, dass Probleme mit Rissen in Masten, die teilweise aus den 1950er-Jahren stammen, schon länger bekannt waren. Das Amtsgericht Steinfurt hat auf Antrag des örtlichen Bauernverbandes bereits ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet. Auch in diesem Falle prüfen Gutachter, warum die Masten zusammengebrochen sind. Die IHK Münster schätzt die „wirtschaftlichen Folgen“ des Stromausfalls auf insgesamt 100 Millionen Euro. Darin enthalten sind die 35 Millionen Euro Kosten, die RWE selbst vermutlich durch Reparatur und Neuinvestition entstehen. Hinzu kommen Umsatzeinbußen und Vermögensschäden in Gewerbebetrieben sowie die Kosten der privaten Haushalte.

Bei den kommenden Schadenersatzklagen gegen RWE wird es darum gehen, ob das Unternehmen fahrlässig gehandelt hat, ob es zum Beispiel vorher von Risiken wusste. Nach gegenwärtiger Rechtslage muss der Versorger an Privatkunden maximal 2.500 Euro Schadenersatz zahlen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfiehlt allen Betroffenen, die Kosten für aufgetautes Gefrierfleisch und Ähnliches aufzulisten und an RWE zu schicken.

Für die Gesamtsumme der Schäden muss RWE realistisch betrachtet mit maximal 10 Millionen Euro einstehen. Auf diese Größenordnung ist die Haftung durch die entsprechende Rechtsverordnung zurzeit beschränkt. Die Grünen fordern nun, die Haftungsgrenze anzuheben. „Die tatsächlichen Schadenssummen müssen abgedeckt werden“, sagt Bärbel Höhn (Grüne), Vorsitzende des Verbraucherausschusses des Bundestages. Es sei nicht einzusehen, dass Kosten, die ein Unternehmen verursache, von dessen Kunden bezahlt werden müssten. Bei der Regelung der aktuellen Schadensfälle solle man sich zumindest an der neuen Verordnung zur Regelung des Netzanschlusses orientieren, verlangen die Grünen. Die Novelle, die fast fertig ist, sieht Haftungsgrenzen bis zu 40 Millionen Euro vor.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat währenddessen einen Bericht über die Stromausfälle von RWE angefordert. Auch die Bundesnetzagentur in Bonn, die den Strommarkt beaufsichtigt, wartet auf eine detaillierte Analyse des Unternehmens. Die Kontrolleure werden dabei unter anderem untersuchen, ob RWE genug Geld in den Erhalt der Netze investiert hat.