piwik no script img

Der Ex von Sahra WagenknechtDer rote Ralph

Er ist der Exmann von Deutschlands Kommunistin Nr. 1. Und ein verurteilter Finanzberater. Ralph Niemeyer will jetzt in den Bundestag.

Hochzeit von Sahra Wagenknecht und Ralph T. Niemeyer 1997 in Weimar Bild: AP

Vielleicht muss man sich Ralph T. Niemeyer als mehrere Personen vorstellen. So wie er an diesem Juninachmittag im Bundestag steht – dunkles Jackett, rote Krawatte, drei Presseausweise um den Hals –, ist er ein Journalist. Und so wie er am selben Abend in einem Bürgerzentrum eine Veranstaltung moderiert – Khakihose und helles Hemd –, ist er ein Aktivist.

Nach allem, was man über ihn weiß – Ehemann der Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht, vorbestrafter Finanzberater, Journalist, neuerdings Bundestagskandidat der Linkspartei –, verläuft das Leben dieses freundlich schauenden Mittvierzigers in mehreren Bahnen.

Ralph Niemeyer lacht, als er auf seinen goldenen Ehering angesprochen wird. Sahra Wagenknecht lebt doch bekanntlich längst mit Oskar Lafontaine zusammen? Ein Gardinenring, flachst er. Aber mal im Ernst, Wagenknecht und er seien seit Mitte März geschieden, ganz freundschaftlich und mit der gebotenen Diskretion. Man habe einen Richter gefunden, der die Öffentlichkeit rausgehalten hat. Sahra Wagenknecht bestätigt der taz das Ende dieser Ehe.

Ehe ohne Lügen

1997 hatten Wagenknecht und Niemeyer geheiratet. Sie waren beide Ende zwanzig; er, der Wessi, hatte die PDS-Politikerin als Journalist kennengelernt. „Ich habe Sahra interviewt, und das Interview hat bis heute kein Ende genommen“, formuliert es Niemeyer. Wie groß in fünfzehn Jahren Ehe der gegenseitige Einfluss gewesen sei, erkenne man schon daran, dass die geborene Thüringerin heute im Westen wohne – während er mittlerweile „vielleicht antikapitalistischer auftritt, als sie es mal war“.

Später wird Niemeyer erzählen, dass er in diesen fünfzehn Jahren auch Vater von drei Kindern geworden ist. Auch dass in ihrer Ehe nie gelogen wurde.

Wenige Stunden nach diesem Gespräch sitzt Ralph Niemeyer auf einem Podium in Ostberlin und moderiert eine Diskussion. Er ist jetzt Aktivist. In welcher Gesellschaft wollen wir leben, lautet die Frage des Abends, es geht ums Grundeinkommen. Links von ihm sitzt der Hartz-IV-Aktivist Ralph Boes, der schildert, wie er mit einem Hungerstreik die Behörden „sanktioniert“.

Rechts von Niemeyer sitzt Sahra Wagenknecht. Der Laden ist rappelvoll, Biskuits und Aldi-Wasser gegen Spende. Wagenknecht thront wie immer kerzengerade und hält eines ihrer Eurokrise-Kurzreferate. Sie wundert sich, warum es „noch so verdammt ruhig ist in Deutschland“ und lächelt ins Publikum. Niemeyer hört zu, fragt nach. Das hier, hat er vorhin beim Interview gesagt, dieses Stichwortgeben für zwei Überzeugte, sei ein Freundschaftsdienst. Er ist ja Antikapitalist. Und seit 2011 Mitglied der Linkspartei.

Der Antikapitalist

Als Antikapitalist kandidiert er in Niedersachsen für den Bundestag. Die Genossen in Wilhelmshaven haben ihn gefragt, erzählt er, „und offensichtlich hat niemand damit gerechnet, dass ich das mache“. Er weiß, dass es schwer wird. „Ich bin auf Platz 12 der Landesliste, da müsste einiges passieren, um in den Bundestag zu kommen. Oder ich müsste dieses Direktmandat gewinnen.“ Aber er macht das jetzt. Beim letzten Mal, 2009, hat eine SPD-Frau den Wahlkreis Friesland-Wilhelmshaven-Wittmund geholt, die Kandidatin der Linkspartei landete bei 9,3 Prozent.

Um Parteifreunde und Wähler ins Bild zu setzen, hat der Kandidat eine Art Lebenslauf verfasst. „Ralph Niemeyer für ein rotes Land“ hat er das Papier überschrieben und stichpunktartig notiert, wer er ist. Wofür er politisch steht, nicht. Man soll ihn an seinen Taten messen.

In Bonn-Bad Godesberg ist er als Sohn eines Ministerialbeamten aufgewachsen. Unter „Berufslaufbahn“ vermerkt Ralph Niemeyer: „1986 bis 1989 jüngster Interviewpartner von Bundeskanzler Helmut Schmidt & Kohl“. Mit 17 Jahren Kanzlerinterviews? Plural? Ja, es stimmt. Er war halt eifrig und furchtlos, erklärt er. Liest man das Porträt über Niemeyer im Bonner General-Anzeiger aus dem Jahr 1988, scheint der damals 19-Jährige ein hyperintelligenter Multitasker gewesen zu sein. Der Schüler arbeitet als Korrespondent eines US-Fernsehsenders. Er ist Chef von vier Mitarbeitern und steht jeden Morgen um vier Uhr auf, um die Nachrichten zu sichten. Einen Tag in der Woche hält ihm seine Sekretärin frei. Denn eine Freundin hat er. Freunde eher nicht.

Er hatte einfach Besseres zu tun

Man liest das und denkt, was für ein Tropf dieser Ralph Niemeyer gewesen sein mag, dessen Geltungsbewusstsein ihn der Journalistin vom General-Anzeiger erzählen ließ, er gehe hin und wieder, „wenn im Bundestag oder sonst nichts weiter anliegt, in die Schule“. Hausaufgaben mache er schon seit der zehnten Klasse nicht mehr; er verberge das halt „unheimlich geschickt“.

In dem Text scheint die Weltsicht eines jungen Mannes auf, der Interessanteres zu tun hat. Interessanteres als jene, die sich abstrampeln in Lehrerzimmern, Büros und Fabrikhallen. Zum Beispiel Helmut Kohl zu interviewen. Oder seinem Lateinlehrer einen vom Bundespräsidenten unterschriebenen Entschuldigungszettel vorzulegen. „Den hatte ich schon vorformuliert dabei und habe ihn Richard von Weizsäcker vorgehalten“, erzählt Niemeyer stolz. „Er hat den abgezeichnet, und dann habe ich ihn meinem Lateinlehrer mitgebracht und gesagt: Ich musste zum Staatsbesuch.“

Derlei mag Ralph Niemeyer das Gefühl gegeben haben, immer ein bisschen gewitzter als die anderen zu sein. Und möglicherweise erklärt das, wie aus ihm nicht viel später, Mitte der Neunziger, ein verurteilter Finanzberater werden konnte. Und warum er heute, weitere zwanzig Jahre später, bei Blockupy in Frankfurt mitmarschiert, als scharfer Kritiker des Kapitalismus. Weil er im Grunde meint, es besser zu wissen. Und das geht dann auch schon mal schief.

Quasi Günter Walraff

1996 wird Niemeyer vom Landgericht Köln wegen Betruges in 46 Fällen zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Berichten, wonach er als Finanzberater Luftgeschäfte gemacht habe, widerspricht er heute vehement: Er habe als Undercoverjournalist im High-Trading-Business ermittelt. In dem Prozess sei er als schizophren hingestellt worden, ihm seien Dinge vorgehalten worden, „die ich meines Erachtens nicht getan habe“. Deshalb habe es am Ende auch Bewährung gegeben. Bewährung und fünf Jahre Berufsverbot als Finanzberater. Darauf pfeift er. „Ich war nie Finanzberater! Sie sagen ja auch nicht zu Günter Wallraff, er hätte bei der Bild-Zeitung als Journalist gearbeitet.“

Ein Jahr nach dem Urteil heiratet er Sahra Wagenknecht. Er kauft ein Haus in Irland, „weil ich keinen Vertrag mehr mit Deutschland hatte, ich fühlte mich drangsaliert“. Wenn seine Frau ihn im Cottage besucht, schreibt er auch schon mal in seinem Blog über die „üagF“, die über alles geliebte Frau. Er schildert, wie beide sich über den Mauerbau streiten und die Systemfrage diskutieren. Sie, die medial umschwirrte Sprecherin der Kommunistischen Plattform – er, der Journalist und Filmproduzent mit West-Vita. Wagenknechts Partei, die damals noch PDS heißt, nennt er „Partei der Schlaraffen“.

Madonna und Millionen

Für einen Mann wie Ralph Niemeyer muss es sich folgerichtig angefühlt haben, diese prominente Ostfrau, die „Madonna des Neokommunismus“, gekriegt zu haben. Er, der Kohl-Interviewer und Quasi-Wallraff. Anfang 2001 jedoch gerät die Ehe der beiden in die Schlagzeilen. Gegen Ralph Niemeyer ergeht Haftbefehl, Wagenknechts Berliner Wohnung wird durchsucht. Niemeyer soll einem angeblichen Interessenten gefälschte Gemälde im Wert von 71 Millionen Dollar zum Kauf angeboten haben. Die Sache war von einem Stern-Redakteur eingefädelt worden. Zum Übergabetermin erschien dann die Polizei.

Fraglich, wem mit der Story geschadet werden sollte – Niemeyer oder nicht doch eher seiner Frau. „Der reiche Kapitalistengatte von der Wagenknecht – das war offenbar sexy zu schreiben“, sagt Niemeyer heute. Er räumte die Tat ein und blieb gegen eine hohe Kaution auf freiem Fuß. „Es ist nicht verboten, Bilder anzubieten“, sagt er. Und dass das Verfahren ein halbes Jahr später eingestellt wurde.

Linke Gummispiele

Danach wird es still um Ralph Niemeyer. Er wohnt in Irland und meldet sich hin und wieder per Blogeintrag. Er produziert Filme über die sozialen Bewegungen Südamerikas. Er berichtet aus Brüssel über Europapolitik. Er bäckt jetzt kleinere Brötchen. Millionendeals sind abgehakt. Seit zwei Jahren lebt er wieder in Deutschland. Er hat wieder einen Vertrag mit diesem Staat.

Beim Treffen zum Interview steht er allein auf der Fraktionsebene des Bundestags. Er hat als Filmberichterstatter für die Sitzungswoche eine Akkreditierung. Was er filmen will, weiß er noch nicht. Mal sehen, wer ihm so über den Weg läuft, sagt er. Über den Weg laufen ihm dann Gregor Gysi, Katja Kipping und Christian Ströbele. Mit allen dreien wird Niemeyer 2-Minuten-Interviews führen und sie auf YouTube einstellen. Auf Facebook wird er Fotos posten, auf denen er Fraktionsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann eine gelbe Gummiente überreicht und mit Kipping Gummibärchen nascht.

Nun gut, Katja Kipping ist nicht Helmut Kohl. Aber Ralph Niemeyer ist schon wieder nah dran an der Bedeutsamkeit.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • R
    Rainer

    Ralph Niemeyer verkörpert diese posten- und geldgeilen Funktionäre, die das Projekt DIE LINKE mutwillig zerstören. Das ist ein Trauerspiel. Straftäter in der LINKEN zu dulden, ist ein schwerer Fehler. DIE LINKE scheitert nicht am politischen Gegner sondern an ihrem schlechten Personal.

  • P
    Peter

    Nee, die "Linke" mit ihren Salonkommunisten ist für mich nicht mehr wählbar. Große Sprüche und nichts dahinter. Mittlerweile geht es da mehr um Pöstchen-Klüngel und Abgeordneten-Diäten. Der "Antikapitalismus" ist nur noch heiße Luft. Eigentlich schade, da hätte was daraus werden können.

  • G
    gabco

    Das ist Schmuddeljournalismus der untersten Schublade. Das könnte genauso in der Bildzeitung stehen. Dieselbe Methode, derselbe Tonfall, dieselbe Absicht.

  • D
    DerDemokrator

    Dieses Land ist politisch gespaltener als jemals vor der Vereinigung.

    Wenn Rechtsradikale unter den Augen von Staatsschutz und Polizei Ausländer, Sozialhilfeempfänger oder linke Jugendliche ermorden, inzw. weit über 180 Menschen, dann interessiert das niemanden der sich in Deutschland für wichtig hält.

    Wenn in Bayern durch Machtmißbrauch geltendes Recht gebrochen wird (Fall-Hoeneß,-Mollath),versucht man das unter den Teppich zu kehren

    Sobald aber ein Linker oder echter Sozialdemokrat das System kritisiert wird er von genau diesem System überwacht.

    Da findet es ein CSU-Innenminister nicht verfassungsfeindlich oder zumindest zweifelhaft die Bürger (alle Bürger) durch Drohnen oder andere Abhörmethoden komplett zu überwachen. Auch der versuchte Staatsstreich (während der Europameisterschaft 2012)deutsche Meldebehörden flächendeckend zu Adressliefaranten srupelloser eMail-Spammer zu machen findet dieser Minister demokratisch legitim.

    Milliardenschwere Prestigebauten deren Nutzwert mehr als zweifelhaft ist, stellt für diese Staatsführung jedoch kein Problem dar,ebensowenig wie nicht funktionsfähige Millitärprojekte die 100te Millionen verschlingen.

     

    Ich würde am liebsten einen Ausreiseantrag stellen, wenn ich ein Land fände wo der moderne Schmarotzerkapitalismus noch keine Wurzeln gebildet hat.

     

    Womöglich wäre das inzw. "A Mission To Mars"

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • F
    FaktenStattFiktion

    Typisch. Mit dem Parteibuch der Ex-SED in der Tasche wird auch ein Finanzhai und verurteilter Betrüger zum netten Kerl. Wie der Bericht wohl aussähe, wenn er für die FDP antreten und mit Koch-Mehrin verheiratet wäre?

  • O
    ostzone

    die partei hat immer recht! SED - Sind Einfach Doof! drum geschosse es bleibe dabei! aber danke für diese weitere aufklärung dieser charaktere . . . primaten in großen und kleinen gesellschaften. sahra, es ist so ruhig weil die meisten arbeiten und in dieser gesellschaft dann doch das kleinere übel sehen.

  • W
    wolfgm

    Lesen Sie eigentlich gelegentlich Ihre Netiquette.

    Selbst wenn es so wäre,lieber eine Kommunistin als Nazi verseuchte Scheindemokraten und Sklavenhalter.

    mfg

    wolfgm

  • F
    Franjo

    Aber er wäre nicht der erste Verurteilte und Vorbestrafte im Bundestag. Da hat fast jede Partei ihre eigenen Kandidaten - einfach mal im Internet suchen. Und manche sind vielleicht nicht rechtlich vorbestraft bzw. verurteilt aber wegen schwarzer Kassen in Verruf gekommen. Der Karriere hat es aber nicht geschadet. Gell, Herr Minister.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Eine notwendige Anmerkung.

     

    Frau Wagenknecht ist eine Sozialdemokratin, so wie die "Linke" eine bürgerliche sozialdemokratische Reformpartei in Deutschland ist.

     

    Sahra Wagenknecht gehört zu den wenigen Menschen im Bundesparlament, die überhaupt noch soziale Interessen der Bevölkerungsmehrheit vertreten.