Ein bisschen Show, ein bisschen Nutzen

BAUAUSSTELLUNG I Am kommenden Wochenende öffnet die IBA Hamburg ihre Pforten. 60 baulich innovative Projekte können dann begutachtet werden. Imposant sind die Bauten allemal, doch was bringen sie Neues?

VON KATHARINA GIPP

Unter dem Slogan „Sprung über die Elbe“ wird seit sechs Jahren im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, auf der Veddel und im Harburger Binnenhafen an allen Ecken und Enden gebaut.

Die Internationale Bauausstellung (IBA) will den Süden der Stadt an die Stadtteile nördlich der Elbe annähern. Die Verantwortlichen der städtischen IBA Hamburg GmbH sprechen von „nachhaltiger und zukunftsorientierter Innenentwicklung“, Kritiker dagegen von Gentrifizierung.

Die IBA richtet sich vor allem an ein Publikum von außerhalb. Sie ist ein stadtplanerisches Instrument, um der Stadtplanung soziale, kulturelle und ökologische Impulse zu geben. Architekten, Landschaftsplaner und Unternehmer können sich um einzelne Projekte bewerben und ihre Ideen einreichen. Bis zu einer Milliarde Euro soll in die IBA geflossen sein. Am Stadtteil Wilhelmsburg soll ein Exempel der Stadtteilentwicklung statuiert werden. Die IBA benennt ihre Ziele mit Projektnamen wie „Kosmopolis“, „Metrozonen“ oder „Stadt im Klimawandel“. Es soll gezeigt werden, welches Potenzial aus dem Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft erwachsen kann, wie sich vernachlässigte Orte wiederbeleben lassen und welche Energiekonzepte vor Ort denkbar wären.

Im Stadtteil selbst bleibt die Skepsis. Schließlich wurde die Elbinsel – was Stadtentwicklungsprozesse anbelangt – über viele Jahrzehnte außer Acht gelassen. Außerdem bleibt die Frage offen, inwieweit angestoßene Prozesse nach der IBA weitergeführt werden und welchen nachhaltigen Nutzen die Bewohner eigentlich künftig haben werden.

Mittlerweile hat die IBA über 60 Projekte fertiggestellt, auch wenn wegen des Wintereinbruchs nicht mehr alle Bauten bis zur Eröffnung fertig werden. Drei Beispiele:

Das Algenhaus

In der Wilhelmsburger Mitte hat die IBA ein Haus gebaut, dessen Fassade sie noch mit Algen versehen will. Die Mikroalgen sollen durch Photosynthese Biomasse und Wärme produzieren.

Durch Wärmetauscher soll Energie übertragen und das Haus beheizt werden. Auch die Biomasse soll energetisch verwertet werden.

Als „weltweit erstes Algenhaus“ ist das Gebäude ein Vorzeigeprojekt der Bauausstellung. Der Hamburger Architekt Joachim Reinig hält die Algenbaufassade aus ökologischer Sicht für „ein bisschen albern“. Auch wenn die IBA natürlich dazu da ist, bei den Projekten zu experimentieren und originell zu bauen, sei vieles vor allem Show. Die Algenbaufassade produziere so wenig Energie, dass ihre Installation klimatechnisch ziemlich irrelevant sei, sagt Architekt Reinig. Für das Klima würde es sicherlich deutlich mehr bringen, wenn man Häuser generell besser dämmt.

Water Houses

Auf einer 4.000 Meter großen Wasserfläche stehen fünf sogenannte „Water Houses“. Sie wurden auf Pfählen gebaut, denn schließlich versteht sich Hamburg als eine Stadt am Wasser. Dennoch ist Wohnen auf dem Wasser, in Form von Hausbooten oder Pfahlbauten, in der Stadt aber bisher nur auf wenige Einzelobjekte beschränkt. Die Gebäude sind nach Passivhausstandard errichtet.

Die „Water Houses“ sollen eine individuelle Lebensweise und ein besonderes Lebensgefühl zum Ausdruck bringen. Von „Zukunftsvisionen“ ist die Rede. Architekt Reinig hat Zweifel, ob die Häuser Anklang finden. Auch wenn sich die glatten Fassaden der Häuser ganz hübsch im Wasser spiegeln, dürfte das Haus im Wasser zumindest für Familien mit Kindern eher ungeeignet sein. Außerdem weckt es gerade in Wilhelmsburg, das von der großen Flut 1962 am stärksten betroffen war, ziemlich ungute Erinnerungen.

Sanierung am Reiherstieg

Die Bewohner des Reiherstiegviertels stammen aus mehr als 30 Ländern. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga will das Viertel aus den 30er-Jahren nach deren Bedürfnissen modernisieren. Deshalb gab es hier ein Beteiligungsverfahren.

Bis Mitte 2014 soll daraus das sogenannte „Weltquartier“ entstehen. Ein Modellprojekt für interkulturelles Wohnen und „multikulturelle Nachbarschaft“. Inwieweit die Bedürfnisse der Quartiersbewohner tatsächlich aufgegriffen wurden, lässt sich bislang schwer sagen. Es gilt aber als ein großes Versäumnis, dass im „Weltquartier“ keine Moschee gebaut wurde. Das wäre, sagt der Architekt Reinig, zumindest ein eindeutiges Willkommenszeichen gewesen.

Eröffnungswochenende des „IBA Hamburg“ Präsentationsjahres am 23. und 24. März mit Feierlichkeiten, ersten Touren und Führungen zu den 60 Bauprojekten. Infos unter www.iba-hamburg.de