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Verordnung zur NetzneutralitätRäuberleiter für die Telekom

Die FDP hat den Entwurf einer neuen Verordnung zur Netzneutralität veröffentlicht. Damit rechtfertigt sie das umstrittene Modell der Telekom.

Internet-Aktivisten demonstrieren in Köln vor der Hauptversammlung der Telekom für Netzneutralität. Bild: dpa

BERLIN taz | In letzter Zeit gibt sich die Bundesregierung netzaffin – genauer gesagt, Bundeswirtschaftsminister Phillipp Rösler (FDP), dessen Ministerium am Donnerstagabend den Entwurf einer Verordnung zur Netzneutralität veröffentlichte. Die Verordnung soll noch im Sommer von der Bundesregierung beschlossen werden und nach Zustimmung des Bundesrates inkrafttreten.

Hintergrund ist eine Debatte, die sich Ende April an dem neuen Tarifmodell der Telekom entzündet hatte. Die Telekom will Kunden ab 2016 den Internetzugang drosseln, wenn sie ein bestimmtes Datenvolumen überschreiten. Dienste der Telekom wie „Telekom Entertain“ und anderer Anbieter sollen davon jedoch nicht betroffen sein.

Doch wenn Inhalte im Netz nicht gleichbehandelt würden, würden manche leichter zugänglich sein als andere und das stelle einen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar, kritisierten die Piraten und Netzaktivisten.

Wie zum Beispiel der Journalist Markus Beckedahl: „Das Ministerium benutzt Taschenspielertricks um Aktivismus vorzutäuschen. In Wirklichkeit legitimiert der Entwurf das Modell der Telekom, um das Thema aus den Medien zu kriegen“, kritisiert er.

Einteilung des Internets

Der Verordnung zufolge soll es Netzneutralität zwar in einem sogenannten „Best-Effort Internet“ geben, darüber hinaus könnten Anbieter aber auch eigene Dienstangebote, sogenannte „Managed Services“, zu anderen Tarifen anbieten. Der Grüne Konstantin von Notz bezeichnete dieses Modell als „Räuberleiter für die Telekom.“

Hinter den Fachbegriffen verbirgt sich nämlich nichts anderes als eine Einteilung des Internets in verschiedene Dörfer mit schönen Namen: Innerhalb jedes Dorfes gibt es Diskriminierungsfreiheit, alle Daten werden gleich schnell übermittelt, möglicherweise auch nur bis zu einem bestimmten Volumen.

Trotzdem kann der Internetanbieter manche Produkte einfach in ein anderes Dorf verlagern. Er könnte zum Beispiel Telekom-Entertain und Google als „Managed Services“ anbieten, für die der Kunde extra zahlen muss, die er aber dafür unbegrenzt nutzen kann. Wenn man dem Wirtschaftsministerium glaubt, sind also im ganzen Land alle gleich, solange innerhalb jedes Dorfes alle gleich sind.

Auch die politische Geschäftsführerin der Piraten, Katharina Nocun, kritisiert: „Das eigentliche Ziel wird vollkommen verfehlt. Der Entwurf bietet einfach zu viele Schlupflöcher.“

Effizienzsteigerung nicht definiert

In dem Entwurf heißt es zum Beispiel, dass „eine Priorisierung unterschiedlicher Dienste- oder Inhalteklassen grundsätzlich zur […] Effizienzsteigerung von Diensten und Netzen […] zulässig sein [soll].“ Was Effizienzsteigerung in diesem Fall bedeutet, ist aber nicht festgelegt - eine Definition wird den Internetanbietern überlassen bleiben.

Der Entwurf ist Anfang der Woche zur Abstimmung an die anderen Ressorts gegangen. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es, man wolle die Verordnung noch vor Ende der Legislaturperiode durchbringen. Der SPD-Politiker Martin Dörmann warf Rösler jedoch „reines Showverhalten“ vor.

Mit Blick auf die verbleibenden Sitzungstage des Bundestages und des Bundesrates könnte die Verordnung eigentlich nicht mehr beschlossen werden – außer, das Wirtschaftsministerium „peitscht sie im Hauruckverfahren durch, ohne öffentliche oder fachliche Debatte.“

Am Montag steht noch eine Anhörung im Peitionsausschuss zum gleichen Thema an. Der Student Johannes Scheller, 19 Jahre, hatte mit seiner //epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2013/_04/_23/Petition_41906.nc.html:Petition zur gesetzlichen Verankerung von Netzneutralität über 50.000 Unterschriften gesammelt. Somit hat er zwar das Recht, angehört zu werden. Doch kurz vor Ende der Legislaturperiode wird dies wahrscheinlich keine großen Auswirkungen haben.

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6 Kommentare

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  • R
    Rahy

    Ist für mich sehr schleierhaft dass das Frau maybrit illner, ZDF jeder Kleinlichkeit aufgreift und darüber diskutiert , aber bei diese so wichtige Sache schweigt , konnte es daran liegen das sie mit der telekomchef verheiratet ist? Schande ist das.

  • A
    Abzockern

    Das Netzwerk (Internet) als Mittel zum Transport von Daten muss unbedingt von den darauf aufbauenden Dienstleistungen getrennt werden! Der Anbieter des Netzwerkzugangs muss von dem Rest rechtlich und finanziell unabhängig sein. Das ist der Kern des Problems, an dem sich die Bundesregierung letztendlich messen lassen muss. Alles andere wäre nur ein weiteres Versagen der Politiker (meine Grüße an Rösler).

     

    In Sachen Internet per UMTS hat die Politik schon versagt. Per UMTS läuft das Schema Drosselkom schon lange. Und morgen schreien diese Abzockerunternehmen wieder nach staatlicher Förderung zum Ausbau des Netzes, ohne je einen Nachweis dafür zu erbringen, der belegt, wie mangelhaft ihr Netz anscheinend ist. Es geht nur ums mehrfache Abzocken.

     

    Schaut Euch mal an wie Vodafone nach "Verbrauch des Volumens" die Kunden jeden Monat durch zwischengeschaltete Abfragen nach mehr "Volumen" nötigt (Vodafone hängt sich in die Übertragung von Webseiten per HTTP ein). Da muss man jeden (!) Monat durch, das Kleingedruckte (!) finden und über mehrere Seiten (!) den Typen angeben, dass man von der Abzocke nicht mehr will. Jeden Monat. Wehe man drückt versehentlich mit der Maus den falschen Taster. Oder einem Gast passiert das. Das ist Nötigung und schlicht sittenwidrig.

     

    Flatrate, Roaming, fair use, EUR 1: Die dumme haltlose Verwendung von Anglizismen durch die Branche ist das beste Zeichen dafür, dass Kunden und Steuerzahler hemmungslos betrogen werden. Man sollte sich das immer wieder durch den Kopf gehen lassen.

     

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!

  • MG
    Maik G.

    Widerspricht das nicht den prinzipien unserer sozialen Marktwirtschaft? Damit werden Monopole gefördert. Wer bei der Telekom ist, muss auch Entertain nutzen, alle anderen Videoportale der Konkurrenz werden "unnutzbar".

  • K
    Klaus

    Telekommitarbeiter?

     

    Der Kommentar hat zumindest die gleiche verquere Logik und blödsinnigen Argumente wie die Lobbykampagne der Telekom.

  • S
    stingray

    Liebe Bachsau,

     

    ja, es ist nicht so einfach, die Fakten richtig zusammen zu bekommen; da ist es doch eigentlich kein Wunder, dass unsere Politiker nach wenigen Minuten Beschäftigung mit dem Thema auf Durchzug schalten - aber das nur nebenbei.

     

    Also: "Telekom Entertain" kann tatsächlich nicht über andere Internet-Anbieter bezogen werden. Man muss dazu zwingend über einen Internetanschluss von der Telekom verfügen. Telefon, Internet, Fernsehen kommen alle in einem Datenstrom beim Kunden an. Solange der Telekom-Kunde sich Sendungen über Entertain ansieht, kann er das 7 Tage die Woche, 24 Stunden lang ohne Konsequenzen machen. Aber sobald er auch Filme/Serien beispielsweise von Lovefilm bezieht, muss er sich überlegen wie oft und wie lange er das macht, denn diese Sendungen werden auf sein Volumen angerechnet. Und DAS gefährdet die Netzneutralität...

  • B
    Bachsau

    Ich bin ein großer Verfechter der Netzneutralität, aber für diesen undifferenzierten Artikel solltet ihr euch schämen. Denn was die Telekom vorhat hat überhaupt nichts mit eingriffen in die Netzneutralität zu tun. Das wird nicht wahrer dadurch, dass es von der "Digitalen Gesellschaft" als Politikum missbraucht wird. Genauso bescheuert ist deshalb auch der Vergleich von Entertain und Google.

     

    Während Google tatsächlich ein Internet-Dienst ist, ist das bei Entertain nicht der Fall. Es handelt sich dabei um einen Anschluss-Dienst, der mit "Internet" überhaupt nichts zu tun hat, wenn man einmal davon absieht, dass er IP zur Datenübertragung verwendet. Entertain ist nicht über das Internet anderer Provider zu beziehen, und wird direkt in der Vermittlungsstelle eingespeist.

     

    Würde ein Netzneutralitäts-Gesetz mit dieser bescheuerten Auslegung verabschiedet hätte das gravierende Folgen für die Gerechtigkeit am Markt. Während der Telekom faktisch die Möglichkeit genommen würde, einen stabilen Fernsehanschluss anzubieten, hätten Kabelnetzprovider wie Unity Media freie fahrt unabhängig zu drosseln, nur weil ihr Fernsehen nicht über das IP-Protokoll funktioniert. Gesetze dürfen sich aber nicht an technischen Feinheiten ausrichten, sondern an der Realität, wie sie letzlich erlebt wird.