„Geld ist das erfolgreichste Antriebsmittel“

In Gelsenkirchen ist die Arbeitslosigkeit landesweit am höchsten. Prämien können das ändern, glaubt der Chef des Integrationscenters für Langzeitarbeitslose. Denn einigen Arbeitslosen fehle die Motivation, Arbeit zu suchen

taz: Sie zahlen dafür, dass die Langzeitsarbeitslosen an Ihren Vermittlungsmaßnahmen teilnehmen. Haben Sie keine anderen Argumente?Lipka: Die ziehen ja ganz offensichtlich nicht. Eigentlich sind unsere Qualifizierungsangebote sogar ziemlich erfolgreich: Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer kriegt am Ende eine Arbeit. Das ist natürlich meistens eine auf dem zweiten Arbeitsmarkt, aber immerhin. Trotzdem kamen viele unserer Arbeitslosen gar nicht oder nur unregelmäßig zu ihren Kursen.

Sind sie zu faul?

Zu faul würde ich das nicht nennen. Ich sage lieber: Sie müssen motiviert werden. Diese Menschen sind seit vielen Jahren arbeitslos. Sie glauben einfach nicht mehr, dass sie eine Arbeit finden werden. Und dann gibt es da noch das Problem mit den Fahrtkosten.

Was ist das für ein Problem?

Na ja, wir zahlen den Arbeitslosen die Fahrtkosten zum Kurs pauschal. Das ist so vorgeschrieben. Sie zahlen aber meistens drauf, weil die Pauschale ziemlich niedrig ist. Leider können wir das nicht ändern, die Pauschale ist Vorschrift. Für manche ist die Busfahrt dann offensichtlich zu teuer.

Das hört sich so an, als würden Arbeitslose heutzutage nichts mehr investieren, um Arbeit zu finden.

Bei einigen ist das Geld eben sehr knapp und bei den allermeisten wie gesagt der Glaube an einen Job sehr gering. Geld ist bei den meisten Menschen das erfolgreichste Antriebsmittel. Wer Arbeit verweigert, kriegt weniger Geld. Wer seine Qualifizierungsmaßnahme durchzieht, wird belohnt. Fördern und Fordern, wie es bei uns so schön heißt. Die Leute nehmen ja inzwischen sogar lieber Ein-Euro-Jobs an, als an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Da springt nämlich ein bisschen Geld zusätzlich für sie heraus. Dabei sind Bildungsmaßnahmen eigentlich höherwertig. Ganz offensichtlich müssen wir auch hier den finanziellen Anreiz erhöhen.

Und dann strengen die Leute sich so an, dass sie einen Job finden?

Wer das schafft, kann von uns sogar eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro kriegen. Das ist doch ein echter Ansporn.

Gibt es diese Jobs denn überhaupt? Die Arbeitslosenquote liegt in Gelsenkirchen bei 20 Prozent. Das kann nicht nur an der mangelnden Motivation liegen.

Das liegt natürlich auch am schwierigen Arbeitsmarkt. Aber wenn die Leute wegen der versprochenen Prämien regelmäßig an ihren Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, erhöht das ihre Chancen und der eine oder andere findet dann doch einen Job. Die Prämien sollen vor allem die aufrütteln, die ihre Motivation verloren haben.

Was sind denn das für Leute?

Na ja, jemand mit Kindern findet meistens keine Arbeit, wo er mehr Geld verdient als er auch an Arbeitslosengeld II bekommt. Der Lohnabstand ist sehr niedrig. Warum sollte so ein Familienvater sich dann den Stress antun und arbeiten gehen? Wenn er dafür 1.000 Euro kriegt, macht er das vielleicht doch.

Finden Sie das Arbeitslosengeld zu hoch?

Man kann das ja auch andersherum sehen: Nämlich so, dass die Löhne zu niedrig sind. Aber das sind politische Fragen, auf die ich hier nicht antworten will. Auf jeden Fall ist der Lohnabstand für Menschen mit Familie so niedrig, dass es sich finanziell kaum lohnt, arbeiten zu gehen.

INTERVIEW: MIRIAM BUNJES