Bargeld lockt auf die Schulbank

Mit Geldprämien sollen Langzeitarbeitslose leistungsbereit gemacht werden: Herten und Gelsenkirchen schenken Alg-II-EmpfängerInnen hunderte von Euro für Weiterbildung und Job

VON MIRIAM BUNJES

Im Klassenzimmer des Hertener Bildungswerks Verkehrsgewerbe hängt seit neuestem ein überdimensionaler Scheck. 250 Euro sind darauf eingetragen. Mit diesem Geld werden alle Jugendlichen belohnt, die hier erfolgreich ihren Hauptschulabschluss nachholen. Der Scheck hängt an der Wand, damit die Motivation im Unterrichtsalltag auch nicht verloren geht. „Die Jugendlichen sollen täglich vor Augen haben, dass Leistung sich lohnt“, sagt Christian Bugzel, stellvertretender Leiter der Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitslose (ARGE) der Stadt Herten. Ohne diesen Anreiz würden die jungen Arbeitslosen nicht regelmäßig in die Schule kommen, glaubt Bugzel. „Die glauben doch eigentlich nicht daran, dass sie eine Arbeit finden.“

Über Leistungsprämien für Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen wird zur Zeit in vielen Arbeitsgemeinschaften in NRW diskutiert. Ideengeberin ist die ARGE in Gelsenkirchen. In der Stadt mit der NRW-weit höchsten Arbeitslosigkeit kümmert sich ein „Integrationscenter für Arbeit“ (IAG) darum. Seit zwei Monaten können Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen hier zwischen 100 und 250 Euro bekommen, wenn sie ein Berufstraining zu Ende bringen. Findet ein Langzeitarbeitsloser selbstständig einen neuen sozialversicherungspflichtigen Job und bleibt dort länger als sechs Monate, erhält er sogar 1.000 Euro.

Diese Erfolgsprämie erhalten allerdings nur die so genannten schwer Vermittelbaren. „Wenn hier ein super ausgebildeter Volkswirt auftaucht und nach zwei Monaten eine neue Anstellung gefunden hat, bekommt er dafür keine Prämie“, sagt Rainer Lipka, Leiter des Gelsenkirchener Integrationscenters. „Die Prämie soll Menschen belohnen, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht und es trotzdem geschafft haben.“

Für Harald Thomé von der Wuppertaler Arbeitsloseninitiative Tacheles zeigen die Prämien in erster Linie, dass die Sanktionsmöglichkeiten in den Arbeitslosengesetzen keinen Erfolg hatten. „Es reicht wohl nicht, die Menschen mit dem Entzug der Stütze zu bedrohen“, sagt Thomé. „Jetzt muss neben der Peitsche auch das Zuckerbrot heran.“

IAG-Chef Lipka zieht hingegen schon jetzt eine positive Bilanz des Prämiensystems. Es gebe deutlich weniger Abbrecher und auch geringere Fehlzeiten als ohne Prämie, so der ARGE-Manager. „Geld ist eben das erfolgreichste Antriebsmittel.“ Er hofft, dass sich durch die finanzielle Motivation auch auf dem strukturschwachen Arbeitsmarkt des Ruhrgebietes Jobmöglichkeiten auftun. Viele Langzeitarbeitslose hätten die Hoffnung auf Arbeit aufgegeben. „Das Geld spornt sie an, es doch einmal zu versuchen und möglicherweise klappt es dann ja“, sagt Lipka (siehe Interview)

Darauf setzen auch die Hertener Prämiengeber. „Unsere Zielgruppe ist völlig demotiviert“, sagt Christian Bugzel. „Es ist ja heutzutage auch mit Hauptschulabschluss schwierig eine Arbeit zu finden, ohne ist es so gut wie unmöglich.“ Die Jugendlichen hätten deshalb die Meinung, dass es sowieso sinnlos sei, sich um Arbeit zu bemühen und gingen mit dieser Einstellung auch an die Qualifizierungs-Maßnahmen heran. „So kann es nicht klappen, deshalb haben wir uns einen zusätzlichen Anreiz überlegt“, sagt Bugzel.

23 Jugendliche nehmen seit dem 1. Dezember am Hertener Qualifizierungsprogramm „Learning to work“ teil. Innerhalb von neun Monaten können sie dort ihren Hauptschulabschluss erreichen und in verschiedenen Einzelhandelsbetrieben erste Berufserfahrungen sammeln. „Die Jugendlichen lernen hier auch Pünktlichkeit und Verlässlichkeit“, sagt Teamleiter Robert Clare. „Alles Fähigkeiten, die sie Zuhause nie kennengelernt haben.“

Die Chancen, dass aus der Qualifizierungsmaßnahme ein Arbeitsverhältnis entsteht, hält ARGE-Chef Bugzel für „ganz gut“: Die Jugendlichen hätten schließlich die Chance, in den Betrieben positiv aufzufallen. „Die Chefs stellen lieber Leute ein, die sie schon kennen“, sagt Bugzel. Die 250 Euro bekommen die Jugendlichen auch ohne Arbeitsstelle.