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Umsiedlungen in UgandaNiebel verärgert Hilfsorganisation

Der Entwicklungsminister nennt eine ugandische Kampagne der Hilfsorganisation Fian „unberechtigt“. Die Interessen der deutschen Wirtschaft gehen vor.

Selbst die Kunst ist vor ihm nicht sicher: Niebel-Skulptur des Künstlers Peter Lenk in Radolfzell. Bild: dpa

HAMBURG taz | Ute Hausmann ist überrascht und verärgert: „Dass der Entwicklungsminister sich derart für deutsche Unternehmensinteressen einsetzt und die Situation der Opfer mit keinem Wort erwähnt, ist bezeichnend.“ Was die Geschäftsführerin der Entwicklungshilfeorganisation Fian fian-wehrt-sich-gegen-aufforderung-von-entwicklungsminister-niebel-die-menschenrechtsarbeit-zum-kaweri-fall-zu-beenden&catid=56:pressemitteilungen&Itemid=59:so empört, ist ein Brief, den Dirk Niebel (FDP) ihr geschrieben hat.

Dieser liegt der taz vor. Der Entwicklungsminister kritisiert darin eine Kampagne der Organisation als „unangemessen und unberechtigt“ – und bittet sie darum, die „Darstellung des Falles zu überdenken“.

Dieser „Fall“ liegt einige Jahre zurück. Im August 2001 vertrieb die Armee rund 400 Kleinbauernfamilien von einem 2.512 Hektar großen Areal im ugandischen Distrikt Mubende. Wenige Tage später weihten Präsident Yoweri Museveni und Michael R. Neumann, der Geschäftsführer der Hamburger Neumann Kaffee Gruppe, dort feierlich die Kaweri-Kaffeeplantage ein.

Diese ist die größte deutsche Investition in Uganda, und bis heute streiten die Gerichte, wer für die Gewalt gegen die Kleinbauern und somit auch für Entschädigungen verantwortlich ist.

Fian dokumentierte die Ereignisse und unterstützte die Familien bei ihren Klagen. Im März nun gab es einen Durchbruch, als ein Gericht in Kampala den Vertriebenen Schadenersatz in Höhe von rund 11 Millionen Euro zusprach. Die deutschen Investoren der Kaweri-Plantage, einer hundertprozentigen Tochter der Neumann Kaffee Gruppe, hätten ihre menschenrechtlichen Pflichten verletzt, so die Begründung. Doch auch mit diesem Urteil ist der Fall noch nicht vom Tisch, denn die Anwälte der Kaweri-Plantage haben Berufung angekündigt.

„Vertiefte Prüfung des Sachverhalts“

Der Hamburger Kaffeekonzern argumentiert, dass die ugandischen Behörden für die Entschädigung aufkommen müssten. Diese Position hat sich auch der FDP-Minister zu eigen gemacht: In einem Interview mit dem Deutschlandfunk betonte Niebel: „Wenn Neumann nicht für die Vertreibung verantwortlich ist, ist Neumann auch nicht zuständig für Entschädigungen.“ In seinem Brief wirft er Fian vor, deren „Darstellung der örtlichen Verhältnisse“ bringe den „ugandischen Kaffee insgesamt in dauernden Verruf“.

Der Minister spreche zwar von einer „vertieften Prüfung des Sachverhalts“, sagt Fian-Geschäftsführerin Hausmann. Bis heute habe Niebel aber weder mit den Vertriebenen in Uganda das Gespräch gesucht noch mit Fian. Zwar sei bekannt, dass Niebel sich für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze, aber bislang habe er sich mehrfach dagegen verwahrt, Wirtschaftsinteressen über Menschenrechte zu stellen.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erklärte, Niebel habe Fian nicht aufgefordert, die Kampagne einzustellen; die „wirtschaftliche Entwicklung in unseren Kooperationsländern“ sei aber „wichtiges Ziel der deutschen Entwicklungspolitik, auch in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen“. Bei der Neumann Kaffee Gruppe wollte sich auf Anfrage niemand äußern.

Fian-Geschäftsführerin Hausmann hat dem Minister ein klärendes Gespräch angeboten und ihn gebeten, auf die Sicherheitslage der Vertriebenen in Uganda zu achten.

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17 Kommentare

 / 
  • R
    Rheideutscher

    Who the f*** is Niebel!?

  • Umsiedlungen? Wohin sind die Kleinbauern denn "umgesiedelt" worden? Oder sind sie vielleicht doch einfach nur ohne Entschaedigung und ohne alternative Existenzmoeglichkeiten vertrieben worden?

    • G
      Gast++
      @Irma Kreiten:

      oder ist eher anzunehmen, weil diese Geldgeier keine Rücksicht nehmen auf Menschen siehe Berichte Danzer von Greenpeas auch im Kongo

  • In der Regierung Merkel sind alle Minister Wirtschaftsminister.

     

    Niebel hält seinen Posten ohnehin für entbehrlich. Schon immer.

    • G
      Gast++
      @vic:

      er ist aber Entwicklungshilfeminister leider vordergründig mit deutschen Wirtschafts Interessen.

  • Niebel macht deutlich, wozu ein Entwicklungsministerium für D überhaupt eingerichtet wurde. Dieses soll lediglich die neokolonnialen Tore für deutsche Profiteure offen halten. Dem Mann fehlt jedes Herz für 3. Welt- Geplagte und der ist bezüglich der wahren Intention für deutsche "Entwicklungshilfe" genau der Richtige.

    • G
      Gast++
      @lions:

      RICHTIG, so ist das leider

    • L
      landau
      @lions:

      Die Kleinbauern wenden keine modernen Verfahren an, und nutzen daher das Land ungenügend. Das sollte man zumindest berücksichtigen. Für Niebel und Museweni habe ich nicht viel übrig. Unter Niebel verkommt die deutsche Entwicklungshilfe zu einer Jobhilfe für unqualifizierte FDP-Mitglieder. Deutschland eine Bananenrepublik.

      • @landau:

        Das tun die Kleinbauern möglicherweise seit zig Generationen so und haben sich damit gut ernährt. Es ist faktisch ihr Land gewesen, auch wenn es darüber keinen Grundbucheintrag gibt. Das macht Land Grabbing für ausländische Investoren besonders einfach.

         

        Wenn sie den Boden ungenügend nutzten, so ist ungenügend relativ, denn für die Bauern reichte es offensichtlich.

         

        Eine Effektivierung des Bodens, um unsere Kaffeepreise niedrig zu halten und ehmmalig freie Bauern zu schlecht bezahlten Plantagenarbeitern

         

        zu machen, das ist Neokolonialismus.

         

        Dazu kommt: Wenn wir Deutschen etwas "richtig" machen, dann machen wir es noch richtiger, als es die Natur verträgt, zumal es nicht unser Land ist.

        • G
          gast
          @lions:

          nicht nur Landgrabbing wird durch Präsidenten und deren Minister auch sehr einfach gemacht. Man muss nur Kontakte zu Politikern knüpfen, ein wenig schleimen und schon bekommt man alles. Siehe Gertler der beste Freund Kabila im Kongo, durch ihn wurde Gertler sehr, sehr, sehr reich. Dazu gab es früher mal gute Berichte, das ist lange her, leider

      • @landau:

        Entschuldigung, aber daa ist voelliger Quatsch: Wirtschaftsethnologen haben mittels wissenschaftlicher Studien verschiedentlich demonstriert, dass gerade die moderne industrielle Landwirtschaft, was das Verhaeltnis von Kalorien-Input in Form von nicht-erneuerbaren Energien versus Kalorien-Output in Form von Ertrag betrifft, in keinster Weise mit "unmodernen" Verfahren konkurrieren kann. Und dann muss man auch noch Nachhaltigkeit im Sinne langfristiger Ressourcenschonung miteinrechnen."Keine modernen Verfahren" ist in keinster Weise mit ungenuegender oder ineffizienter Landnutzung gleichzusetzen. Wohl aber handelt es sich bei letzterem um ein klassisches koloniales Argument, mit dem LAufe der Geschichte vielfach Massenenteignungen, Vertreibungen und Voelkermord gerechtfertigt wurden.

    • T
      Theo
      @lions:

      Richtig. EIngerichtet wurde das Ministerium, um Entwicklungshilfe zu leisten, nicht, um NGOs mit Hilfsgeldern zu überschütten, wie es in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Dass die Betroffenen und ihre Angestellten wie "Anamolie" darauf allergisch reagieren ist verständlich, sollte aber ignoriert werden.

      • @Theo:

        Na, Sie scheinen mich ja gut zu kennen.

         

        Jeder, der gegen die Gebaren eines Ministeriums wettert, muss ein Angestellter der NGO´s sein.

         

        Wenn schon Schubladendenken, dann mal paar mehr anlegen oder auf Paranoia untersuchen lassen ! Hihi

        • U
          unbenannt
          @lions:

          nett, schön unter die Gürtellinie schießen wenn einer eine andere Meinung hat.

          • @unbenannt:

            ganz ihrer Meinung.

  • GM
    Gast mit eigener Meinung

    Hätte denn wirklich jemand gedacht, wenn ein Land wie Deutschland od. irgendein anderes Land Gelder in Kongo investiert unter dem Mäntelchen Entwicklungshilfe, das das ohne ordentlich wirtschaftliche Profite gemacht wird ?

     

     

     

    Glaubt man denn, das sich die Blauhelme div. Länder aus reiner Nächstenliebe im Kongo einsetzen würden, stünden dahinter nicht enorme wirtschaftliche Interessen ?

     

     

     

    Nur so kommt man an die vielen sehr reichhaltigen Erdschätze im Kongo, an deren Wälder, enorme Flächen an Ackerland, Gold, Diamanten, Coltan, Kupfer usw. !!!! Doch frage ich mich, wenn man doch so viel Geld investiert warum es dann immer noch und immer wieder Kriege im Kongo gibt und das seit 15 Jahren, warum es kaum Wirtschaft gibt und vor allem warum das Volk am ausgestreckten Arm so leidet.