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Der geborene Coach

Nur sieben Niederlagen, 16 Siege, als Tabellenzweiter die Playoff-Teilnahme vorzeitig gesichert – nicht mal der kühnste Optimist beim Basketball-Zweitligisten SC Rist Wedel hätte so eine Erfolgsgeschichte erwartet, nachdem kurz vor Saisonstart der langjährige Trainer gefeuert wurde und nur ein Rumpfkader blieb. „Was er geleistet hat, ist erstaunlich“, sagt Team-Manager Andreas Bethke über Sebastian Gleim, mit 28 Jahren einer der jüngsten hauptamtlichen Trainer.

Er erinnert sich noch sehr gut daran, wie ihm der Vorstand des Hamburger Vorstadtclubs im Thailand-Urlaub den Head-Coach-Posten anbot. Seine erste Reaktion: „Wie mache ich die anderen Jobs genauso gut wie vorher?“ Die anderen Jobs: Trainer der zweiten Herren, Projektleiter des Wedel-Schulprojekts und Nachwuchs-Koordinator. Obendrein ist er für die U 16-Auswahl des Deutschen Basketball-Bunds im Einsatz. Den Eindruck einer One-Man-Show will Gleim aber keinesfalls vermitteln, dafür ist er viel zu bescheiden.

Mit sieben Jahren warf er erste Körbe, mit 14 spielte er in der hessischen Oberliga, mit 17 wollte er Trainer werden. „Bereits als Schüler habe ich Teams aufgebaut und gecoacht. Meine Mutter hielt mich für verrückt, aber das Coach-Sein hatte ich irgendwie in mir.“ 2005 ging der gelernte Physiotherapeut als Jugendtrainer nach Bremerhaven, 2009 wechselte er zum SC Rist. In seiner ersten Saison als Zweitligatrainer machte er den 17-jährigen Spielmacher Ismet Akpinar zum Co-Kapitän, der zur kommenden Saison zum Erstligisten Alba Berlin wechselt. Gleim hat team-interne Kommunikationsregeln aufgestellt, alle drei Wochen gibt es protokollierte Einzelgespräche mit jedem Spieler.

Das erste Playoff-Spiel gegen die zweite Mannschaft der Frankfurt Skyliners gewannen die Wedeler gestern mit 90:71. Aber der Aufstieg steht dennoch nicht ganz oben auf Gleims Agenda, dafür fehlen dem Klub das Geld und eine geeignete Halle. Gleim geht es in erster Linie um den Nachwuchs, „unser größter Schatz“ – nichts wünscht er sich dringender als einen weiteren hauptamtlichen Jugendtrainer.

Ganz der Vereinsphilosophie entspräche es daher, wenn der Wedeler Nachwuchs als „Farmteam“ das Fundament für eine Erstligamannschaft in Hamburg bildete – wenn sie denn kommt. Derzeit versuchen Investoren um Ex-Nationalspieler Pascal Roller eine Wildcard von der Liga zu ergattern. Die „Hamburg Towers“ würden ihre Heimspiele in einer umfunktionierten Blumenhalle im Stadtteil Wilhelmsburg austragen, einem Überbleibsel der Gartenschau 2013. Gleim könnte dann vielleicht die eine oder andere selbst gezogene Pflanze als Profi vor seiner Haustür spielen sehen.  MIKE LIEM

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