So schön schmutzig ist nur Berlin

STRASSE In Kreuzberg stört der Müll nicht, er gehört zum Image

Es liegt noch ein Rest Schnee in der Adalbertstraße. In einiger Entfernung befindet sich das Kottbusser Tor, einer der bekanntesten Orte Kreuzbergs. Hochhäuser aus den Siebzigern, türkische Geschäfte, viele Menschen auf der Straße – und jede Menge Müll. Der Boden ist übersät mit Chipstüten und Coladosen, Pappbechern und Bierflaschen. Zigarettenschachteln reihen sich an Schnapsflaschen und Joghurtbecher. Orte wie diesen muss der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky im Sinn gehabt haben, als er vor einigen Jahren sagte: „Wo Müll ist, sind Ratten, und wo Verwahrlosung ist, ist Gesindel, und das muss beseitigt werden in der Stadt.“ Wer will hier wohnen?

Zum Beispiel die 39-jährige Monika: „Das ist der Partymüll, und der gehört dazu“, sagt sie. Ihrer Lieblingsstraße sei das, ganz ohne „Mitte-Chic“. Andere finden es hier „typisch Berlin“, „multikulturell“, „alternativ“. Auch Worte wie „abgewrackt“, „verranzt“ und „chaotisch“ fallen – das Wort „Müll“ aber kaum. Nur eine Mutter beschwert sich darüber, dass die Leute immer mehr Dinge einfach auf die Straßen oder in die Parks werfen: „Vor allem wegen der Kinder. Und man will ja auch selbst nicht durch Müll laufen.“ Womöglich haben sich viele Berliner an den Müll gewöhnt. Der 48-jährige Matthias sagt, der Müll falle ihm nur auf, wenn er mal drei Wochen nicht in Berlin war. Wenn er dann zurückkommt, merkt er doch, dass es „sehr dreckig ist“. Aber das halte nicht lange an: „Nach ’ner Woche seh ich das dann nicht mehr.“ Selbst Touristen beschweren sich nicht. Marek aus Hamburg findet die Gegend zwar „superhässlich“, aber das wegen der Architektur. Seine Freundin Judith wirft ein: „Ich find’s bunt.“ Und drei Niederländerinnen erklären lachend: „Wir sind aus Amsterdam. Für uns ist es hier total sauber!“

DINAH RIESE, SASKIA HAUFF