Die Wahrheit: Ein Herz für arme Städte
Neues aus Neuseeland: Zwischen Wellington und Auckland, zwischen großen und kleinen Städten tobt der Kleinkrieg um die Bedeutungshoheit.
„Wellington stirbt“, hat unser Premierminister kürzlich getönt. O, das saß. Das wollte dort niemand hören. Bis auf Peter Jacksons Filmstudios sähe es wirtschaftlich mau aus in der Kapitale, so John Key. Der Finanzsektor habe seinen Hauptsitz längst in Auckland. Im lauten, vulgären, verstopften Auckland, wohlbemerkt. Schön für die Menschen dort. Die haben ganz viel davon, wenn sie nett ausgehen oder Besuchern Tolles zeigen wollen, dass da ein paar Firmenlogos mehr vom Skytower blinken. Das zeugt von Vitalität!
Für einen wie Key bemisst sich Lebenswertes nach Dollarzeichen. Wellington, das leider nur Kunst und Kultur statt Kommerz und Casino zu bieten hat, zeigte nach dieser Beleidigung, dass in ihm noch Saft steckt. Es bebte – und wie. Ein Chaos war das. Menschen flohen aus der Stadt, es rüttelte über Tage, die Nächte wurden kurz – aber niemand starb. Und der Wind blies weiter, der gemeine und berüchtigte Wind Wellingtons. Schlechteres kann man über die kleine, feine Hauptstadt nicht sagen, die man schon deshalb mögen muss, weil sie sich gegen den aufgeblasenen Bruder im Norden behaupten muss.
Auckland hat zwar das wärmere Klima und schöne Strände, aber an so was will man bei uns in Christchurch lieber gar nicht erst denken, während man um diese Jahreszeit durch Pfützen und Baustellen stapft. Irgendwo müssen die teuer erarbeiteten Bräunungssprays, Wadentattoos und nachgearbeiteten Brüste da oben in den Subtropen schließlich auch zur Geltung kommen. Es kann sich doch nicht nur alles ums Dichten und Denken drehen. Oder ums Renovieren.
Andere Städte haben andere Sorgen. Palmerston North zum Beispiel will sich in Manawatu City umbenennen. Denn Lord Palmerston selig, nach dem das Großkaff einst benannt wurde, hat es nie von England bis dorthin geschafft. Monty-Python-Star John Cleese hingegen hat eine „zutiefst miserable Zeit“ in „Palmy“ verlebt. Da gilt es einiges wettzumachen. Und dann gibt es noch ein fast unbekanntes Palmerston auf der Südinsel, das ständig mit dem nördlichen verwechselt wird. Manawatu bedeutet jedoch „Das Herz steht still“, was in der Debatte um Leben und Sterben der Städte problematisch sein könnte.
Überhaupt, diese Ortsnamen! Die schöne Gegend namens Poverty Bay („Bucht der Armut“) nahe Gisborne wollen Lokalpolitiker lieber in Oneroa oder Long Bay umtaufen. Ein „PR-Desaster“ sei der jetzige Zustand, denn der Blick auf die Landkarte suggeriere Not und Elend. Das haben sie in der hübsch klingenden Golden Bay besser hingekriegt. Der Norden der Südinsel hieß anfangs „Murderers Bay“, weil Entdecker Abel Tasman sich dort 1642 ein kleines Gemetzel mit den Maori lieferte. Kaum vorzustellen, wie verheerend sich die Mord-Bucht heute auf das Touri-Geschäft auswirken würde.
Wenn wir schon bei Worten sind, die kleine Städte in Verruf bringen können, dann muss man unbedingt über Städteslogans reden. Also die peinlichen. Aber die sind ein Kapitel für sich. Das dann ein anderes Mal, wenn ich bis dahin nicht an Standortschwäche gestorben bin.
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
Molitor
Gast
Liebe Anke,
Vielen Dank fuer Ihre Kolumnen - auch dieser hier kann ich - an der Hafenbucht von Wellington lebend - nur beipflichten. Dass die aktuelle Regierung und ihr ach so vertrauenswuerdiger PM es nicht so mit Kultur haben ( ausser Spielautomaten ( Sky City )vielleicht), zeigt u.a. die bevorstehende Schliessung des hiesigen Downstage-Theaters dank der Streichung der oeffentlichen Subventionen.
Nur eins von vielen Beispielen.........