Bioverband sagt Agrarindustrie den Kampf an

LANDWIRTSCHAFT Naturland will nach Skandalen bäuerliche Strukturen stärken. Details noch offen

BERLIN taz | Nach Tierschutzskandalen in Biohühnerställen hat der Anbauverband Naturland Konsequenzen angekündigt. „Unser Präsidium hat eine Reform beschlossen, um bäuerliche Betriebe zu stärken“, sagte Geschäftsführer Steffen Reese der taz. Was das genau heißt, ließ er aber offen. Nur so viel: „Ein selbstständiger Landwirt trägt die Verantwortung und sorgt für Transparenz im Betrieb.“ Ziel sei es, die Betriebe in die Hand von „eigenständigen, unmittelbar selbstverantwortlichen und in ihren Entscheidungen unabhängigen Personen zu überführen“. Dazu spreche Naturland derzeit mit den betroffenen Unternehmen. Der Umbau von agrarindustriellen Strukturen zu bäuerlichen Betrieben müsse in spätestens fünf Jahren vollzogen sein.

Damit reagiert der weltweit größte Bioverband darauf, dass in den vergangenen Monaten mehrmals schlechte Haltungsbedingungen in Naturland-Geflügelbetrieben bekannt geworden sind. Tierrechtler hatten heimlich zum Beispiel in Ställen des größten deutschen Bioeiervermarkters Wiesengold zahlreiche Hennen gefilmt, die kaum noch Federn hatten und unter Krankheiten litten.

Der öffentliche Druck auf Naturland war enorm. Reese sagte daraufhin der taz, dass die Betriebe offenbar ihre Tiere schlecht betreut hätten. In agrarindustriellen Betrieben erledigen dies meist Lohnarbeiter, nicht Bauern, die im Zweifelsfall mit ihrem Vermögen geradestehen müssen.

Naturland will nun auch seine Richtlinien ändern, um den Tierschutz zu stärken. „Es wird darüber diskutiert, ob die Zahl der Stallabteile pro Gebäude reduziert wird“, erklärte Reese. Im Moment erlaubt Naturland 15.000 Hühner oder Puten unter einem Dach. Kritiker erkennen zwar an, dass konventionelle Betriebe weit größer sein können. Sie monieren aber, die Bauern verlören auch bei den Naturland-Größen den nötigen Bezug zu den Tieren.

Einen aus Tierschutzsicht noch wichtigeren Punkt will Naturland aber offenbar zunächst nicht angehen: Derzeit erlaubt der Verband 3.000 Tiere in einem Stallabteil. Das ist zwar viel weniger als im konventionellen Bereich üblich, aber laut Experten immer noch zu viel. Denn Hühner könnten in so großen Gruppen keine stabile Hackordnung mehr etablieren, weshalb sie sich gegenseitig verletzen.

Änderungen erwägt Naturland auch bei seinen Vorschriften darüber, wie nah der Auslauf am Stall und wie er gestaltet sein muss. Auch die Kontrolle und Qualifikation der Betriebsleiter sollten verbessert werden.

Naturland gehört zu den Bioverbänden, die sich am weitesten agrarindustriellen Strukturen geöffnet haben. Die größten Eierproduzenten sind Mitglied in der Organisation. JOST MAURIN