: Wiederholung macht süchtig
DÜSSELDORFER SICHT Seit den 80er-Jahren fotografiert Boris Becker im Stil der Becher-Schule – und immer noch will man mehr sehen von der Unerschöpflichkeit der Dingwelt
Es ist sofort zu sehen. Boris Becker entstammt der Düsseldorfer Schule. Merkwürdigerweise sticht das am meisten bei seinen Aufnahmen von Äckern, Feldern und Wiesen ins Auge. Mehr als bei den Serien des immer gleichen, an sich banalen, jeweils jedoch individuell ausgestalteten Motivs, also bei seinen – bei grauem Himmel und in frontaler Sicht aufgenommenen – Wohnhäusern und Hochbunkern, mit denen der 1961 in Köln geborene Fotograf in den späten 80er-Jahren seine Künstlerlaufbahn ganz brav nach dem Muster seines Meisters Bernd Becher begann.
Die Felder, Äcker und Gebirgsschluchten sind oft leicht schräg, in mehr oder minder starker Aufsicht aufgenommen. Manchmal scheint sogar die Sonne, obwohl die so beschienene Natur dann doch keine großen Schatten wirft. Andernfalls drohte das Landschaftsporträt, das Becker selbstredend vermeidet. Im bildfüllenden All-over von Kohl, Blumen oder Getreidestoppeln wie überhaupt der extremen Positionierung des Horizonts sucht er vielmehr die Landschaft als fotografisches Ready-made, das als authentischer Ausdruck des Alltags trotzdem nicht im Ruch des Dokumentarischen steht. In diesem konzeptuell entwickelten Kontrast zur bekannten Landschaftsfotografie wird die Düsseldorfer Sicht der Dinge besonders deutlich.
Von ihr können wir offenbar gar nicht genug bekommen, wie bei der Begegnung mit dem seit 25 Jahren entstandenen Werk von Boris Becker erneut auffällt. Vielleicht ist mit den „Fakes“ eine Grenze erreicht. Denn die strengen Stills von gewöhnlichen, manchmal auch skurrilen Alltagsgegenständen interessieren letztlich nur dank dem anekdotischen Reiz, einst Drogenverstecke gewesen zu sein. Der Vorwurf gegen diese Stillleben, sie langweilten schon deshalb, weil sie nach Candida Höffers Bibliotheken, nach Andreas Gurskys Prada-Vitrinen, Thomas Ruffs Pixelpornos oder Simone Viewegs Kraut und Rüben zum x-ten Mal das gleiche Schema variierten, allerdings verfängt nicht. Denn genau dieses repetitive Schema verbürgt die ungebrochene Faszination der Düsseldorfer Schule, schreibt es sich notwendigerweise doch in einem Prozess permanenter Bedeutungsschöpfung fort.
In dem Moment nämlich, als Bernd und Hilla Becher die vergessenen, vom Verschwinden bedrohten Industrieanlagen in ihren Aufnahmen zum ästhetischen Ereignis an sich erklärten, als sich die Düsseldorfer Sicht der Dinge als allein aus sich heraus bedeutsam durchsetzte, musste mit der Unerschöpflichkeit der Dingwelt die unerschöpfliche Bedeutsamkeit ihrer Bilder korrespondieren.
BRIGITTE WERNEBURG
■ Photographische Sammlung/ SK Stiftung Köln, bis 28. Februar ■ Landesgalerie Linz, 18. März bis 16. Mai ■ Katalog (DuMont Verlag)
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