in fussballland
: Interviewt Peter Neururer!

Christoph Biermann gibt knallige Tipps für die Fußballberichterstattung in Tageszeitungen

Christoph Biermann (44) liebt Fußball und schreibt darüber.

Schon vor vielen Jahren hat der große Norbert Thomma (aka Herr Thömmes) auf diesen Seiten jungen Menschen beim Einstieg in den schönen Beruf des Sportjournalisten geholfen. Er hielt eine mehrteilige Schreibschule ab und lieferte auf einer „Mach-Es-Easy-Liste“ zudem Sprachschablonen, Module und Versatzstücke, mit Hilfe deren eigentlich jeder über Sport und insbesondere über Fußball schreiben konnte. Inzwischen hat sich die Fußballberichterstattung jedoch so weit verändert, dass man mit dem Sprachschrott von einst nur noch beim Fernsehen reüssieren kann. Daher soll hier in vorweihnachtlicher Freigebigkeit ein Crashkurs mit knalligen Ratschlägen für die Fußballberichterstattung in Tageszeitungen gegeben werden.

Ruft Generationen aus! Die Ausrufung einer Generation macht immer Eindruck. Da staunt der Chef und klatschen die Kollegen, zeugt sie doch von übergreifender Wahrnehmung zuvor nur vereinzelt wahrgenommener Phänomene. Man muss sich allerdings ein bisschen was ausdenken, wofür „Generation Poldi“ oder „Generation Schweini“ oder „Generation Poldi & Schweini“ eigentlich stehen sollen. Das wird bei „Generation Berti“ natürlich schwer, ist also nur für Fortgeschrittene.

Jazzt hoch! Seine kritische Distanz zum Getriebe signalisiert man mit dem augenrollenden Hinweis, dieses oder jenes Thema sei „hochgejazzt“. Achtung, nicht verwechseln mit „runtergerockt“.

Werdet Philosophen! Längst ist Philosophie Pflichtfach an der Sporthochschule, weil kein Zeugwart in der Bundesliga nur noch die Schuhe putzt, sondern eine Philosophie des Schuhputzens hat. Daher sollte sich auch jeder Sportjournalist eine Schreibphilosophie zulegen oder zumindest in jedem Text das Wort Philosophie mindestens einmal auftauchen lassen oder auch zweimal. „Aufgrund der Walzphilosophie von Platzwart Müller konnte Teutonia Großkleinburg die Offensivphilosophie von Trainer Maier bestens umsetzen“, etwa ist ein schöner Satz, mit dem man mindestens so viel Eindruck schindet, wie wenn man im Bistro den Schlüssel zu einem Mazda-Cabriolet auf die Theke legt.

Verfasst steile Thesen! Noch ein so frei erfundener wie schöner Satz: „Das torlose Remis zwischen Wolfsburg und Bielefeld zeigt die Grenzen des Systems Fach in einer postfordistisch codierten Stadt.“ Das knallt, selbst wenn man keine Ahnung hat, was es bedeuten soll. Vorteil: Mit solch steilen Thesen wird man sofort auf indirekter-freistoss.de zitiert, dem Perlentaucher fürs Fußballschreiben. (Wer nicht weiß, wie man steile Thesen verfasst, sollte „Texte zur Kunst“ abonnieren.)

Lasst das Gedächtnis schwinden! Amnesisches Schreiben war früher dem Boulevardjournalismus vorbehalten (s. a. Tontaubensyndrom: hochschreiben, dann runterholen), gilt inzwischen jedoch überall. Behaupte also lauthals das Gegenteil von dem, was du vorher lauthals behauptet hast. Keine Angst, es wird niemand merken.

Bildet Gegenargumente! Im Fußball ist immer auch das Gegenargument richtig. Wenn ein Trainer viel mit seinen Spielern redet, ist er kommunikativ – oder weich und ohne eigene Linie. Wenn er eine harte Linie fährt, ist er konsequent – oder stur und nicht auf die heutigen Zeiten eingestellt. Mit etwas Gedächtnisschwund hat man also immer gleich zwei Artikel zum Thema.

Interviewt Peter Neururer! Mit Peter Neururer reden heißt siegen lernen! Denn erstens lernt man vom wortmächtigsten Trainer der Bundesliga immer etwas in Sachen Satzbau, weil seine Sätze verschlungener als die Möbius-Schleife sind. Zweitens kommt noch der untalentierteste Holzkopf mit einem lustigen Interview zurück, weil Neururer eben eine Rampensau ist. Drittens erzählt Neururer gute Anekdoten. Etwa die vom legendären 11:0 von Gladbach gegen Dortmund, als Trainer Otto Rehhagel auf der Dortmunder Bank den Altnationalspieler Siggi Held beim Stand von 0:10 aus Sicht des BVB zum Warmmachen schicken wollte. Fragte Held: „Chef, soll ich das Ding noch drehen?“

Viel Glück! Von da heraus, wie Huub Stevens sagen würde, ist auf einem guten Weg, wer sich an meine Ratschläge hält.