Filmstart „Inside Wikileaks“: Ohne eine Spur visueller Intelligenz
Bill Condon will die Geschichte der Enthüllungsplattform zum geopolitischen Thriller aufrüsten. In seinem Film „Inside Wikileaks“ gelingt das nicht.
Julian Assange ist, hört man, not amused über den Film „Inside Wikileaks“, der die Geschichte der von ihm gegründeten Website nachzeichnet, die einige Jahre lang politisch brisante Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte; der Film erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Daniel Berg (Daniel Brühl), einem engen Mitarbeiter Assanges, der sich nach anfänglicher Begeisterung für die Mission des Australiers langsam von diesem entfremdete.
Assanges Ablehnung des Films kann eigentlich höchstens ästhetische Gründe haben; denn besonders schlecht weg kommt er in „Inside Wikileaks“ nicht, die Vergewaltigungsvorwüfe zum Beispiel, deretwegen er seit geraumer Zeit in der ecuadorianischen Botschaft in London festsitzt, werden nur angedeutet.
Der unumschränkte Beherrscher des filmischen Bildraums ist er sowieso. Benedict Cumberbatch, der zuletzt in „Star Trek – Into Darkness“ recht überzeugend den Bösewicht gab, setzt auch als Assange in „Inside Wikileaks“ gelegentlich ein diabolisches Grinsen auf, ohne dass man allerdings so recht wüsste, warum.
Weil der Film kein rechtes Verhältnis findet zu seiner Hauptfigur, ist Cumberbatchs Assange einfach alles gleichzeitig: genialer Stratege, naiver Idealist, eifersüchtiger Egomane (samt denkbar generischem Kindheitstrauma) und obendrein noch Beischlafverhinderer. Das ist am Ende sein schlimmstes Vergehen, wenn man „Inside Wikileaks“ beim Wort nimmt: dass es ihm um ein Haar gelungen wäre, Alicia Vikander aus Daniel Brühls Bett (das sie dann allerdings kaum einmal verlässt) zu vertreiben.
Der Zeitgeschichte hinterhergehechelt
Dass es dem Kino durchaus gelingen kann, den selbstidentischen Fluss der Medienbilder zu unterbrechen, zeigte Anfang des Jahres Kathryn Bigelows meisterlicher, abstrakter Terrorismus-Thriller „Zero Dark Thirty“. Alex Gibneys erst vor ein paar Monaten gestartete Dokumentation „We Steal Secrets: The Story of Wikileaks“, die über weite Strecken dieselbe Geschichte wie „Inside Wikileaks“ erzählt, bemühte sich immerhin um eine originelle Perspektive. Bei Condons Film hat man dagegen das Gefühl, dass er der Zeitgeschichte nur hinterherhechelt und sich damit begnügt, die bereits existierenden Bildern mit einigem Aufwand, aber ohne eine Spur visueller Intelligenz nachzustellen.
„Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt“. Regie: Bill Condon. Mit Benedict Cumberbatch, Carice van Houten u. a. USA 2013, 128 Min.
Die große Stärke des ersten Wikileaks-Films war eine Schwerpunktverschiebung: weg von Assange und dessen virilen Selbstdarstellungen, hin zu Bradley (jetzt Chelsea) Manning, der vielleicht interessantesten Figur in der Affäre. Wo Gibneys Film von einer kaum gebrochenen Empathie für diesen Außenseiter und seine Gewissenskonflikte zeugte, taucht Manning in Condons Film kaum einmal auf, wird, durchaus auf einer Linie mit dem Mainstream der US-Berichterstattung, in ein, zwei Nebensätzen als ideologisch und sexuell verwirrter Weirdo abgetan. In einem Film wie „Inside Wikileaks“ ist kein Platz für gebrochene Subjektivitäten, für existenzielle Verunsicherung.
Stattdessen hetzt die Regie Assange und Berg atem- und gedankenlos durch die Gegend; erst nur durch die deutsche Hauptstadt, vom Kongress des Chaos Computer Clubs zum Tacheles, zwischendurch ein kurzer Rundblick über Skyline-Postkartenansichten, später geht es dann nach Island, wo Assanges Haar vor rauer Naturkulisse adrett im Wind flattert.
Touristisches Verhältnis zur Welt
Noch später verflüchtigt sich der Film, der von Anfang an ein bestenfalls touristisches Verhältnis zur Welt unterhält, in physische und virtuelle Nicht-Orte: Assange stichelt vom Flugzeug aus via Twitter gegen Berg, der wiederum hackt sich während der Pressekonferenz seines Partners in die Wikileaks-Website.
Im Schlepptau haben die beiden eine immer größere Schar an Nebenfiguren, für die gilt, was ohnehin das ästhetische Programm des Films zu sein scheint: je unklarer ihre narrative Funktion, desto lauter und hektischer rumpeln sie durch den Film. Moritz Bleibtreu gibt als Second-string-Hacker Marcus einfach keine Ruhe, David Thewlis spielt einen dampfplaudernden Guardian-Journalisten, der gefühlt alle fünf Minuten eine Grundsatzrede zum journalistischen Ethos zum Besten gibt.
„We Steal Secrets“ erzählte die Geschichte von Wikileaks als eine – stellenweise etwas überzeichnete, auf Effekt gebürstete – Tragödie. „Inside Wikileaks“ will sie mit aller Macht, unter anderem auch mithilfe einer besonders verloren in der Gegend herumstehenden Nebenhandlung, die sich zwischen einer besorgten Mitarbeiterin im US-Außenministerium und einem gefährdeten Informanten in Afghanistan entspinnt, zum geopolitischen Thriller aufrüsten – und landet doch nur bei einer besonders kruden Farce.
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