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EurokolumneIt’s Europe, stupid

Kolumne
von Gesine Schwan

Erst wenn die Arbeitslosigkeit überwunden ist, werden die Menschen Europa als legitimes Zuhause erfahren. Das hat Deutschland noch nicht verstanden.

Wir brauchen für die Überwindung der Arbeitslosigkeit in der EU keinen brain drain nach Deutschland: Straßenszene in Madrid. Bild: ap

A ufgrund seines großen wirtschaftlichen Gewichts trägt Deutschland für die Zukunft der Europäischen Union eine außerordentliche Verantwortung. Dem ist die deutsche Politik in den vergangenen Jahren jedoch nicht gerecht geworden. Hier sind dringend neue Initiativen fällig, mit denen das Land nicht nur den kurzfristigen deutschen, sondern den europäischen und damit zugleich den wohlverstandenen langfristigen deutschen Interessen gerecht werden muss.

Dies im Geiste von Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der in seiner Amtszeit die deutsche Nachkriegstradition geradezu klassisch bekräftigt hat: Danach gibt es prinzipiell keinen Gegensatz zwischen den deutschen nationalen Interessen und denen seiner europäischen Nachbarn, weil sowohl die Lehren der Vergangenheit als auch die grenzüberschreitenden Herausforderungen der Zukunft eine enge demokratische Integration der europäischen Union erfordern.

Hier kommt es zunächst darauf an, zur Erhaltung eines gemeinschaftsstiftenden Euro demokratische Verfahren für die gemeinsamen politischen Entscheidungen zu entwickeln, die es den Bürgern in Europa ermöglichen, die Union als legitimes, wirtschaftlich, sozial und kulturell erfolgreiches Zuhause zu erfahren. Bürgernähe, Legitimität und Gerechtigkeit gehören zusammen und erfordern zugleich Solidarität, die nicht als Einladung zur Verantwortungslosigkeit diffamiert werden darf.

ist Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin, einer von der Berliner Humboldt-Universität und der Europauniversität Viadrina Frankfurt (Oder) gegründeten Hochschule für Politikentwicklung. Sie ist SPD-Mitglied und kandidierte 2004 und 2009 als Bundespräsidentin.

Sie schreibt die Euro-Kolumne der taz im Wechsel mit Rudolf Hickel, Jens Berger, Sabine Reiner, Eric Bonse und anderen.

Vordringlich ist dabei die Überwindung der Arbeitslosigkeit vor allem in Südeuropa. Sie muss schnell erfolgen. Dazu brauchen wir Wachstum, das zudem am ehesten die Chance für eine erfolgreiche Überwindung der Staatsschulden bietet. Sparen allein reicht nicht aus, verschlimmert die Schuldensituation sogar. Zugleich muss diese Politik nachhaltig erfolgen.

Als Gerhard Schröder im März 2003 seine Agenda 2010 vorlegte, kündigte er als Erstes ein öffentlichen Investitionsprogramm von 20 Milliarden Euro an – allein für Deutschland. Ein zweiter Pfeiler war die Aufgabe der Sozialpartner, ihre Rollen verantwortlich wahrzunehmen. Deshalb gab es keine Aufhebung des Kündigungsschutzes, sondern die Verpflichtung der Sozialpartner, in unvermeidlichen Fällen gemeinsam über Kündigungen zu beschließen. Und die Aufforderung an die Arbeitgeber, Übergangslösungen wie Leiharbeit nicht als Strategien zur Kostenersparnis zu missbrauchen.

Wir brauchen für die Überwindung der Arbeitslosigkeit in der EU keinen brain drain nach Deutschland, sondern gemeinsam beschlossene Investitionsprogramme, die über europäische Kredite finanziert werden, für die auch europäisch gehaftet wird. Um Strohfeuer und Bauruinen zu vermeiden, sollten zwei Felder Vorrang haben: Bildung und eine integrierende, zugleich Kosten sparende europäische Energie-Infrastruktur für den Klimaschutz.

Bildung braucht Zeit für den Erfolg, aber LehrerInnen kann man schnell auf allen Ebenen einstellen. Sie sind in großer Zahl vorhanden, neben Strukturreformen – etwa für eine erfolgreiche duale Ausbildung – auf jeden Fall notwendig; und wären für die Binnennachfrage schnell wichtige Konsumenten.

Schwieriger sind Einigungen für eine Energieinfrastruktur in Europa, zumal wichtige Nachbarn weiter auf Atomenergie setzen, um das Klima zu schützen. Hier können und müssen wir intensive, grenzüberschreitende Gespräche miteinander beginnen, wofür auch deutsche Initiativen, nicht zuletzt aus der Zivilgesellschaft zusammen mit Vertretern des Unternehmenssektors, der Politik und der Wissenschaft, erforderlich sind. So könnten wir die immer wieder geforderten Reservekraftwerke und subventionierte Kapazitätsmärkte sparen, die für sonnen- oder windfreie Stunden die Versorgung sichern sollen. Wenn wir europäisch vernetzt sind, lässt sich besser ausweichen.

Viel ist zu tun, viel ist möglich, wenn wir die Verengung auf kurzfristige deutsche Interessen überwinden. Die Sozialdemokratie könnte hier an eine lange Tradition anknüpfen.

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