Paris gibt Beutekunst zurück

FRANKREICH Viele Schätze waren oft als „anonyme Leihgabe“ auf Museen verteilt. Heute werden als Positivbeispiel Werke den rechtmäßigen Erben übergeben

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Frankreichs neue Kulturministerin Aurélie Filippetti verspricht einen neuen Anlauf zur Rückerstattung von geraubten jüdischen Kunstgütern aus der Zeit der nationalsozialistischen Besetzung während des Zweiten Weltkriegs. Eine Art Taskforce aus Beamten ihres Ministeriums und Beauftragten der Museen soll unter den jüdischen Opfern der Kunstraubzüge während der NS-Zeit die rechtmäßigen Eigentümer für rund 2.000 Werke ausfindig machen. Unter diesen Gemälden und Skulpturen, die 1946 nach Frankreich zurückgesandt wurden, befinden sich nach Filippettis Angaben 163 besonders wertvolle Bilder, die derzeit in französischen Museen hängen.

Geradezu beispielhaft dafür ist die Geschichte der sieben Werke von Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts, die Adolf Hitler persönlich für sein Museum in Linz ausgewählt hatte und die nun am Dienstag an die Erben des Wiener Textilindustriellen Richard Neumann und des Prager Bankiers Josef Wiener rückerstattet werden. Neumann war nach dem Anschluss Österreichs zuerst nach Paris ins Exil gegangen. Dort musste er 1941 vor seiner Flucht nach Kuba seine bedeutende Sammlung, von der ein Inventar aus dem Jahr 1938 existiert, zu einem Spottpreis abtreten. Nach dem Krieg konnte Neumann nur einen Teil seines Eigentums ausfindig machen. Wie andere Opfer der Plünderungen konnte er nicht wissen, dass seine Bilder in Frankreich in einer Art Fundbüro, dem Musée National de Récupération, gelandet und von dort an diverse Museen verteilt worden waren, wo diese Beute der Kunsträuber des Dritten Reichs oft als „anonyme Leihgabe“ registriert war.

Wahrscheinlich hätte auch der heute 82-jährige Tom Selldorf, die sechs Bilder aus der Sammlung seines Großvaters nie wieder gesehen, wenn nicht die österreichische Kunsthistorikerin Sophie Lillie für ihn fachkundig recherchiert hätte. Ihre erfolgreiche Suche beweist aber auch, dass es durchaus realistisch ist, mit den neuen Technologien digitalisierter Kataloge und Archive im Internet bislang noch Eigentümer der Raubkunst ausfindig zu machen.