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Hartz-IV-EmpfängerExistenzgründer im Abseits

Die Zahl der Arbeitslosen, die sich mit Fördergeldern der Bundesagentur für Arbeit selbstständig machen, ist auf einem Tiefstand angelangt.

Und woher krieg' ich die Kohle für meinen Laden? Beratungszentrum für Existenzgründer in Berlin Bild: dpa

BERLIN taz | Hartz-IV-Bezieher, die sich selbstständig machen wollen, werden immer seltener von den Jobcentern unterstützt. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

Demnach erhielten in den Jahren 2006 und 2007 jeweils noch über 32.000 Interessierte das Einstiegsgeld, das den Weg in die Selbstständigkeit finanziell erleichtern soll. Mit den Hartz-Reformen war die Förderung von Existenzgründungen ab 2005 zum vordringlichen Ziel erhoben worden.

Doch bereits seit 2007 sinkt die Zahl der bewilligten Förderungen stetig. 2012 wurden nur noch rund 8.000 Arbeitslose finanziell unterstützt. Kamen 2007 auf 1.000 Arbeitslose im Hartz-IV-Bezug noch knapp 13 neue Gründer, waren es 2012 rund 4.

Das Einstiegsgeld ist eine Leistung, die Beziehern des Arbeitslosengelds II (Hartz IV) für maximal zwei Jahre gewährt werden kann, wenn das Jobcenter eine Geschäftsidee für tragfähig hält. Auf die Leistung besteht aber kein Rechtsanspruch.

Zuschlag von bis zu 50 Prozent

Im Regelfall erhält der oder die Geförderte einen Zuschlag von 50 Prozent auf den normalen Hartz-IV-Satz. Der liegt für Singles derzeit bei 382 Euro und steigt ab 2014 auf 391 Euro. Weiterhin können – je nach Dauer der Arbeitslosigkeit oder der Größe der Bedarfsgemeinschaft – ergänzende finanzielle Zuschläge gezahlt werden.

Für die schrumpfende Zahl von Bewilligungen hat das IAB mehrere mögliche Erklärungen. So könnten durch die verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt die Chancen gestiegen sein, eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen. Zudem hätten sich die „Kriterien für die Auswahl von Geförderten mit der Zeit verschärft“, schreibt das IAB.

Dass sich der Rückgang nicht unbedingt aus einer sinkenden Nachfrage erklären muss, zeigt ein Detail: In den 22 Jobcentern, die das IAB genauer untersuchte, lag die Zahl der Gründungsinteressierten deutlich höher als die Zahl der letztlich Geförderten.

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11 Kommentare

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  • D
    Dirk

    Wer sich selbständig macht, der hat meist wenig Zeit, viel zu tun und dann passt der enorme Stress nicht, den Jobcenter mit ihren Vordrucken kreiieren. Es gibt auch jede Menge Prozesse von ehemaligen Geförderten und dem Jobcenter.

  • R
    Ridicule

    en passant

     

    Ich höre immer - ich ich ich -

     

    damit das jetzt mal klar ist:

     

    Das WIRR entscheidet

     

    auch 2014

     

    Danke Gerd et al.

  • K
    Karla

    Auf Kosten anderer gründe ich auch gern ein Unternehmen. Egal welche Branche. Ich kann es ja mal versuchen.

    • @Karla:

      Sie würden sich ziemlich schnell ärgern, denn "die Kosten Anderer" sind minimal, im Verhältnis zu den Schulden, mit denen Sie danach in der Insolvenz landen. Wenn Sie nicht wenigstens 20.000 - 30.000€ auf der hohen Kante haben, sollten Sie auf die Selbständigkeit verzichten. Da sind die Zuschüsse vom Staat Peanuts, die gar nichts helfen.

    • SE
      So ein Harz
      @Karla:

      Versuchen Sie es ruhig einmal. Am besten gleich am 2. Januar kündigen und dann auf Kosten anderer selbstständig machen. Lassen Sie sich nicht beirren vom Kommentar von Wolfgang. Die Existenzgründung ist ein Kinderspiel, dieses Instrument wurde geschaffen, um Leute wie Ihnen, die sicher Vollzeit arbeiten dürfen, das Geld aus der Tasche zu ziehen und ehemalige Hartz'ler zu Millionären zu machen.

       

      Eigentlich sollte man auch das ALG-II abschaffen, soll doch jeder sehen wo er bleibt. Oder haben wir etwa eine soziale Marktwirtschaft? Keinesfalls sollte man die politische Entwicklung in Deutschland für die Arbeitslosen verantwortlich machen - die wollen einfach nicht arbeiten. Wo Merkel und Co. sich doch so bemühen, dass es unseren Unternehmern gut geht - zumindest wenn die den Mittelstand überwunden haben.

  • W
    Wolfgang

    Die "Selbständigkeit" in der Quandtschen Reichtumsgesellschaft vs. Hartz-IV-Gesellschaft ist eine ideologische Schnapsidee.

     

    Bei weiterer Konzentration und Zentralisation ist die Beförderung von Solo-Selbständigkeit eine unökonomische und unsoziale Schnapsidee. Sie befördert die Illusion einer individuellen beruflichen Eigenständigkeit, bei realer wirtschaftlicher Monopolisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche. Zugleich drückt sie die Klein- und Hartz-IV-Selbständigen noch weiter in die Erwerbsarmut und folgenden Altersarmut. Weiterhin werden die eigenen Ersparnisse und finanziellen Zuwendungen aus der Familie und Verwandtschaft vorzeitig verschleudert. Es steigt die persönliche Verschuldung. Von den Mini-Hartz-Leistungen kann keine dauerhafte und tragfähige Selbständigkeit gesichert werden. Für Mini-Arbeitsleistungen besteht keine (bezahlte bzw. finanzierte) Nachfrage. Auch liegen Betriebskosten/Gemeinkosten weit über der geringen staatl. Beihilfe.

     

    Merke: Im Kapitalismus gibt es keine "Entfaltung der Persönlichkeit" durch berufliche Selbständigkeit. Ausnahmen (für Wohlstands-, Parlaments-, Wirtschafts- und Erbschaftskinder) bestimmen nicht die Regel.

    • @Wolfgang:

      Volle Zustimmung ! Wer ein tragfähiges Unternehmen gründet, braucht die billige Apanage des Jobcenters nicht, weil er zu den von Ihnen erwähnten Ausnahmeerscheinungen gehört.

      Interessant wäre eine Erfolgstatistik dieser "Initiative" der Jobcenter. Ich wette, die sieht nicht so rosig aus.

      • A
        Augenwischerei
        @lions:

        Der "Erfolg" lässt sich an der vermeldeten Zahl der Arbeitslosen ablesen. Zumindest für eine Zeit - bis auch die ehemaligen Unternehmer wieder auf das ALG angewiesen sind. Dann allerdings mit einem dicken Packen Schulden im Kreuz.

    • K
      Kinos
      @Wolfgang:

      Lieber Wolfgang,

      Sie werden ihre Systemkritik noch mit ins Grab nehmen. Und bis dahin sind Sie wenigstens beschäftigt und kommen Menschen die mit Mut und persönlichem Risiko Unternehmen aufbauen nicht in die Quere. Weiter so!

       

      Ich wünsche Ihnen ein gesundes neues Jahr.

       

      Mit freiheitlichen Grüßen

    • @Wolfgang:

      Ja , Wolfgang , Ihren Kommentar kann man nur dick unterstreichen .

      Nur eine Anmerkung zu 'Die "Selbstständigkeit" ... als 'eine ideologische Schnapsidee.'

      "Schnapsidee" bezeichnet nicht so recht das Wahnhafte der Ideologie "Jede/r ist seines/ihres eigenen Glückes Schmied !" , - in der kapitalistischen Gesellschaft , der selbstredend besten , einzig richtigen Gesellschaftsform. Das Konzept bediente auch von Anfang an die Volksvorurteile 'Jede/r kann , wenn er/sie nur will !' und ' Die Arbeitslosen sind selber schuld!'.

      Dass das Konzept in der Praxis an den Realitäten scheiterte , kann INSM-Ideologen nicht beirren : "Die Wirklichkeit ist schuld , nicht die Theorie !"

    • @Wolfgang:

      Da kann ich Ihnen nur beipflichten. Mit diesen Mitteln eine funktionierende Selbstständigkeit aufzubauen, wird nie gelingen. Selbst in guten Jahren kann man selten so viel an sparen, das es dann für die schlechten Jahre reicht.