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Umstrittene RestaurierungDer Geist der Kaiserzeit

Der Chef des Altona-Archivs will ein Mosaik am Kaiser-Wilhelm-Denkmal vor dem Altonaer Rathaus freilegen lassen. Es zeigt Kornblumen, wie sie später auch Symbol einer SS-Division wurden.

Steht auf einem Mosaik mit fragwürdiger Symbolik: Das Reiterstandbild vor dem Altonaer Rathaus. Bild: dpa

Die Skulptur ist nicht gerade unauffällig: Groß und gewaltig steht die Kaiser-Wilhelm-Statue vor dem Altonaer Rathaus, seit 1898 schon, und bislang haben sich erstaunlich wenige Leute daran gestört. Dabei zeigt das Denkmal nicht nur jenen Wilhelm I., der die berüchtigten Sozialistengesetze erließ, die massenweise Arbeiter ins Exil trieben. Nein, des Kaisers Ross dreht den Demokraten im Altonaer Rathaus auch symbolträchtig das Hinterteil zu.

Zwei solche Reiterstandbilder gibt es in Hamburg, aber dasjenige vorm Innenstadt-Rathaus hat man schon 1930 entfernt und als historisches Relikt in den Park „Planten un Blomen“ gebracht. In Altona dagegen gibt es einen, der das Denkmal hegt und pflegt und immer wieder zu dessen Restauration aufruft und eine Plakette erneuerte: Wolfgang Vacano, Leiter des Altonaer Stadtarchivs, ist in dieser Angelegenheit aktiv. Jetzt möchte er noch mehr: das Mosaik freilegen, auf dem die Skulptur steht und das 30 mal 40 Meter groß ist. Es wurde um 1970 zugeschüttet, als man den Platz erhöhte.

Seit 1987 – da übernahm Vacano die Leitung des Altonaer Archivs – drängt er darauf, das Mosaik wieder freizulegen. Es zeigt Kornblumen, die Lieblingspflanzen von Kaiser Wilhelm I. und seiner Mutter Luise. Der Kult um das Gewächs entsprang der Romantik – jener Ära, in der die „blaue Blume“ zum Symbol deutschnationaler Bewegungen wurde.

Dieses aus geschwungenen Ranken bestehende Mosaik, von dem im Altonaer Stadtarchiv Fotos existieren, möchte Vacano nach erfolgreichen Probebohrungen ganz ausgraben und neu auslegen lassen, „damit die Kaiserstatue, eins der wenigen Kulturdenkmäler Altonas, wieder vollständig ist“.

Die 10.000 Euro, die das kosten wird, will er nicht durch öffentliche Gelder finanzieren, sondern durch Spenden. Das überrascht, denn das Denkmalschutzamt, das am Mittwoch nicht zu erreichen war, „ist an der Wiederherstellung sehr interessiert“, sagt Vacano. Einen offiziellen Antrag hat er zwar noch nicht gestellt. Trotzdem rechnet er mit der Genehmigung in diesem Frühjahr.

Das alles wäre unproblematisch, handelte es sich bei der Kornblume nicht um ein umstrittenes Symbol. Denn Deutschnationale vor allem in Österreich nutzten die Pflanze früh als Emblem: Ab 1879 war die Blume Kennzeichen der „Alldeutschen Bewegung“ des Antisemiten Georg Ritter von Schönerer, den Hannah Arendt als „Lehrer Hitlers“ bezeichnete. Schönerer forderte die Vereinigung aller deutschsprachigen Länder unter preußischer Führung.

Das Altonaer Reiterstandbild

Eingeweiht wurde das von Gustav Eberlein geschaffene Denkmal 1898 in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. und seiner Frau Auguste Viktoria.

Zentrale Figur ist Kaiser Wilhelm I., der Großvater Wilhelms II., als General mit Helm, der die Zügel des Pferdes hält.

Vor dem Sockel stehen ein antiker Krieger, der die "Deutsche Wehrkraft" verkörpert, sowie zwei Genien, weibliche Figuren, die sich an den Händen halten. Sie symbolisieren die Herzogtümer Schleswig und Holstein.

Hinter dem Standbild finden sich zu beiden Seiten auf eigenen Sockeln ein Schmied - stellvertretend für Gewerbe und Industrie - und ein Fischer - Repräsentant von Handel und Schifffahrt.

1930 dann, als die NSDAP in Österreich verboten war, diente die Kornblume dort als Erkennungszeichen der illegalen Nazis. Später gab es eine ungarische SS-Freiwilligen-Kavallerie-Division „Maria Theresia“, die die Kornblume offiziell im Wappen trug. Und noch in den Jahren 2006 und 2008 trugen die Abgeordneten der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) im Wiener Nationalrat Kornblumen im Knopfloch, was beide Male zum Skandal führte.

All diese Assoziationen habe er nicht gewollt und nicht gemeint, sagt Vacano. „Ich will mit Nazi-Symbolen nichts zu schaffen haben, meine Aktion hat mit politischer Einstellung nichts zu tun,“ sagt der Ex-Polizist und Hobby-Historiker.

Vacano findet nicht, dass er durch die Freilegung des Mosaiks dem Monarchen huldige. „Ich weiß, dass Wilhelm I. kein Demokrat war und habe die Aufstellung der ,Black Form‘ von Sol LeWitt zur Erinnerung an die deportierten Altonaer Juden unterstützt“, sagt er. Dieses Mahnmal stehe ja in Blickweite des Kaiserdenkmals. Das stimmt. Allerdings steht Sol LeWitts Kunstwerk recht weit entfernt und halb im Gebüsch, ist also schwer als Gegenentwurf zu erkennen.

Vacano sagt, man könne am freigelegten Mosaik dann eine Inschrift anbringen. „Das reicht nicht“, findet die Hamburger Künstlerin HMJokinen, die sich seit vielen Jahren mit Erinnerungskultur befasst. „Wir brauchen zusätzlich starke Gegenbilder zu dem Mosaik und zu der Skulptur dort auf dem Platz. Sonst entsteht da ein Denkraum mit problematischen Nachbarschaften.“

Das findet auch der Altonaer Pastor Ulrich Hentschel, Studienleiter an der Evangelischen Akademie der Nordkirche und für Erinnerungskultur zuständig. Er fragt, warum das Mosaik ausgerechnet 2014, zum 350-jährigen Jubiläum Altonas, erneuert werden soll. Altona sei eine dänische Gründung – und nun huldige man dem Preußentum.

„Aber das ist es ja gerade“, sagt Vacano. „Nach dem Sieg im deutsch-dänischen Krieg waren die Altonaer so froh, das dänische Joch abgelegt zu haben, dass sie sich stolz zu Preußen bekannten und dieses Standbild errichteten.“

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Themen #Altona

14 Kommentare

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  • W
    Wilhelmine

    "„Aber das ist es ja gerade“, sagt Vacano. „Nach dem Sieg im deutsch-dänischen Krieg waren die Altonaer so froh, das dänische Joch abgelegt zu haben, dass sie sich stolz zu Preußen bekannten und dieses Standbild errichteten.“

     

    Die Altonaer Bevölkerung hat dieses Denkmal nicht errichtet. Die Altonaer Arbeiter hatte genug von diesem repressiven Kaiser und seinen "Sozialistengesetzen". Das Denkmal wurde von der Obrigkeit initiiert und vom Kaiser, dem Enkel Wilhelm II., unterstützt und eingeweiht, der auch die übrigen 63 Reiterdenkmäler, 231 Standbilder und 126 Büsten befürwortete. Die Gießereien kopierten massenweise. Auch der Altonaer kaiserlichen Reiter ist Massenware.

     

    Nach dem Tod Wilhelm I. waren "einer offensiven Expansionspolitik ... Tür und Tor geöffnet, und je mehr Kaiser Wilhelm II. und seine Reichskanzler [...] von der ehemaligen Ausgleichspolitik abkamen, desto mehr wurden die Reichsgründer im Denkmal verehrt. In den neunziger Jahren [...] brach ein nie zuvor gekannter Denkmalboom aus, dessen Inhalte sich zusehends verengten. Als ob man sich krampfhaft an die "goldenen" Gründerjahre klammern wollte, errichtete man mit ebenso unermüdlicher wie stereotyper Monotonie Hunderte von Kaiser-Wilhelm- und Bismarck-Denkmäler. [...] Reiterstandbilder Kaiser Wilhelms I. [...] konnten als von absolutistischen Vorbildern abgeleiteter Typus (der Herrscher als Vertreter der gesamten Nation oder: l'état c'est moi!) das Jahr 1900 nicht überstehen."

    Helmut Scharf: Zum Stolze der Nation. Deutsche Denkmäler des 19. Jahrhunderts, Harenberg 1983

     

    In der Weimarer Republik wurde 1929/1930 der Hamburger Kaiserreiter kritisiert und schließlich entfernt. Es steht jetzt auf einem stark verkürzten Sockel auf einer Restgrünfläche in Planten un Blomen.

    • KK
      Karl K
      @Wilhelmine:

      Danke für die Details

       

      Vielleicht sollte man das Geld für

      eine olfaktorische Installation

      nutzen:

       

      Die Kaiserkrone mit dem Ludergeruch der Revolution;-))

       

      bei SM - Wilhelm Zwo -

      bietet sich hingegen eine Klanginstallation an:

       

      "Wem ham se de Krone jeklaut..."

      als Endlosschleife:

  • A
    anne-kathrin

    wir verstehen geschichte von heute aus. die frage ist doch mit was für ehrenden denkmälern wir uns heute umgeben und was sie heute bedeuten. in der geschichte hat eine revision alter symbole immer stattgefunden. seit der antike gab es denkmalstürze. heute sollten wir nicht mehr stürzen oder abschaffen, aber kommentieren.

  • DO
    der olle willem

    seit ich diesen artikel gelesen habe, bin ich jetzt ganz doll geschichtsbewusst betroffen und fahre nur noch landstrasse - nieder mit der autobahn und ihrem naziursprung! die platten der naziband kraftwerk habe ich auch aus meinem archiv verbannt. und wenn ich blumen verschenke, werde ich jetzt bei der wahrheitskommission der taz redaktion eine unbedenklichkeitsbescheinigung anfordern

     

    jetzt mal im ernst - man kann die politische korrektheit und nachträgliche geschichtskorrektur auch übertreiben...

  • F
    Frederick

    Verkehrte Welten: Herr Vacano will das kaiserliche Mosaik freilegen und führt dazu das Denkmal für die deportierten Juden Altonas als Gegengewicht auf. Da hat er ja dann gerade noch Glück gehabt, dass da was steht, oder?

    Altona habe so wenige Kulturdenkmäler? Pustekuchen! Wie blind muss man da als Leiter des Ein-Mann-Betriebs Stadtarchiv durch die Gegend laufen?

    Frederick

  • N
    nitram

    Oh Man!!! Wenn wir ALLES dämonisieren und tabuisieren wollten was in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit den Nazis stand .... Wird demnächst der Maifeiertag abgeschafft oder die Nutzung der Autobahnen verboten? Auch Symbolen kann man ja, anstatt sie zu verdammen vielleicht ihre alten Bedeutungen wiedergeben oder positiv besetzen. Freigelegt und gestaltet würde das dann entstandene Ensemble einen, auch touristisch hochattraktiven Ort mit großer Aufenthaltsqualitität ergeben.

    • H
      Hugo
      @nitram:

      .. den Maifeiertag könnten wir gerne abschaffen, dann hätten die Gewerkschaften mal die Möglichkeit, für etwas anderes als hohe Löhne streiken, na, und die Autobahn wird demnächst teuer:)

      Wie wäre es, das Kornblumen Mosaik umzulegen, kreative Ideen dafür gäbe es sicher genug.

       

      http://keinikeainaltona.wordpress.com

  • Als Archäologin würde ich mich über eine Freilegung freuen. Als Linke auch, denn es ist in meinen Augen unsinniger nazibezogene Dinge zu verstecken, als sie zu zeigen und darüber zu informieren. Kunsthistorisch dürfte ja, wie im Artikel auch schon erläutert, das Interesse auch da sein.

  • T
    Thomas

    Ich kann nicht nachvollziehen, warum das Abbild eines solchen Unterdrückers für soviel Geld restauriert werden soll. Wer so etwas zelebriert, zeigt, wes Geistes Kind er ist.

     

    Das gilt übrigens auch für Bismarck-Denkmäler und Kriegsklötze.

    • B
      brv1848
      @Thomas:

      Gegen die späteren Unterdrücker wie Hitler, Stalin, Mao, Ulbricht, Honnecker und Konsorten war der Kaiser ja ein Waisenknabe..

  • @ Christian

    So sehe ich das auch; nur weil mal irgendwas, irgendwann und irgendwie von irgendeiner SS-Division, Nazi-Partei oder sonst irgendwelchen Reaktionären missbraucht wurde, heisst das noch lange nicht, dass die missbrauchte Symbolik grundsätzlich negativ ist.

    Es gab da z.B. mal die Symbolik eines Hakenkreuzes im Zahnrad; heisst das jetzt, wir sollen deswegen keine Zahnräder mehr benutzen ?

    Willkommen in der Steinzeit ! :-)))

  • X
    xx

    Dieser Empörungs Journalismus ist dermaßen nervig. Zeigen sie doch mal reale Menschen die sich durch ein Mosaik verunglimpft sehen. So weit ich weiss, steht direkt gegenüber ein Mahnmahl, welches an das Leid der Juden errinnert dort steht auch eine Info Tafel und genauso sollte man mit dem Mosaik verfahren, alles andere wäre kleinlich.

  • L
    Lowandorder

    Tja - " der Krischan Stinkel, der zwinkelt mit den Augenwinkel.."

     

    Die Partikularisten und

    "- uns ol Kaiser mött wedder her - "; wirklich?

     

    darf man wirklich so kornblumenblauäugig sein?

     

    Die blaue Blume der Romantik symbolisiert das mit dem gesamten Ensemble ja eindeutig nicht;

    es sollte mehr als reichen, wenn da toleranterweise der Kartätschenprinz hoch zu Roß immer noch steht.

     

    Alternative wäre für den

    Herrn Pseudonymus

    Wilhelm Oelrichs

    der baliner Spottvers beizufügen:

     

    Schlächtermeister Prinz von Preußen

    komm doch, komm doch nach Berlin!

    Wir wollen dich mit Steinen schmeißen

    und die Barrikaden ziehn.

  • Nun ja. Eine Kornblume ist in erster Linie eine Kornblume. Es verlangt ja auch niemand vom FC St. Pauli seine braune Vereinsfarbe zu ändern.