Musik über Musik und Musik über Musik und Musik über

Die Uraufführung von Rolf Riehms „Nuages immortels oder Focusing on Solos“ durch die Deutsche Kammerphilharmonie weckte Wunsch nach mehr

Bremen taz ■ Es stimmte alles an diesem Abend und doch war alles anders beim zweiten Jubiläumskonzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Nach dem launigen – von Pago Balke entsprechend moderierten – Konzert vor einiger Zeit in der Glocke besann man sich diesmal auf eine vor fünf Jahren abgegebene Auftragspartitur des Frankfurter Komponisten Rolf Riehm (geboren 1937).

Die originelle und in ihrer Gestik immer deutliche Klangsprache von Riehm verdankt sich immer politischen oder literarischen Impulsen oder ist Musik über Musik. Dieses Gestaltungsprinzip inspirierte in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten und Musikwissenschaftler Peter Gülke zu einem fabelhaft schlüssigen und schönen Programm, das in der ausverkauften Waldorfschule stattfand.

Musik über Musik: Riehms Uraufführung „Nuages immortels oder Focusing on Solos“ erklang eingebettet in Alte Musik, in Wolfgang Amadeus Mozarts Instrumentierung von Bachs Contrapunctus VIII aus der Kunst der Fuge und Peter Gülkes hinreißender Instrumentierung der Gambenfantasien von Henry Purcell. „Medea in Avignon“ schreibt der Komponist dazu in Klammern, sozusagen als Untertitel: Denn die Begegnung mit der Schauspielerin Isabelle Huppert in einer Theaterinszenierung als Medea und das solistische Niveau der MusikerInnen der Kammerphilharmonie inspirierte Riehm zu einer Reihe ungewöhnlicher Instrumentalsoli. Es ist – auf der formalen Basis von Liedern aus der griechischen Antike – eine Musik der Suche, eine Musik von Fragen, die sich zu keinem Zeitpunkt irgendwie einrichtet. Was sie dabei wahrhaft aufregend macht, ist die sperrige Originalität der Klänge.

Ein zweites Stück von Riehm – „Double Distant Counterpoint“ (1996) – widmet sich Bachs Contrapunctus XI aus der Kunst der Fuge: das Publikum, diesmal umgeben von den MusikInnen, erlebte Riehms Gefühl gegenüber der strengen Bachschen Musik: weit weg, zum Teil gefunden und dann doch wieder für immer verloren. Das alles war fabelhaft gespielt und souverän geleitet von Peter Gülke, dessen inhaltsschwere und trotzdem vollkommen lockere Moderationsqualitäten ein weiteres ganz herausragendes Ereignis waren.

Und noch mal Musik über Musik, nämlich Klaus Hubers „James Joyce Chamber Music“. Eine geheimnisvolle Musik, die ebenso zärtlich mit ausgepichten Pianissimograden wie heftigen Klangexplosionen von der Liebe zu der Dichtung spricht. „Blick in die Zukunft“ haben die MusikerInnen das Konzert genannt: Von solcher Art Blick oder Zukunft hätten wir in Zukunft doch gerne mehr. Ute Schalz-Laurenze