Nina Hoss erstmals an der Schaubühne: Einsam an der Spitze

Thomas Ostermeier inszeniert Lillian Hellmans vergessenes Stück „Die kleinen Füchse“. Es ist die erste Rolle für Nina Hoss an der Schaubühne.

Eine Egoistin, die aus dem Weg schafft, wer ihr in die Quere kommt: Nina Hoss als Regina in „Die kleine Füchse“. Bild: dpa

Die Wiederentdeckung von Lillian Hellmans Broadwayerfolg „Die kleinen Füchse“ mit Nina Hoss in ihrer ersten Rolle nach dem Wechsel vom Deutschen Theater – unter solch großer Beobachtung stand lange kein Abend mehr an der Berliner Schaubühne. Deren Chef, Thomas Ostermeier, hat in Hellmans Stück das große Thema entdeckt, das er bisher in seinen weltweit gefeierten Ibsen-Inszenierungen ausgelotet hat: die ökonomische Besessenheit unter Menschen und die Erschütterungen, die Gier und Machthunger in persönlichen Beziehungen auslösen. Er macht aus Hellmans Drama einen großen Schauspielerabend.

„The Little Foxes“, 1939 uraufgeführt, ist ein Wirtschafts- und Familiendrama, dazu aber die Emanzipationsgeschichte der Regina Giddens, die sich gegen die intriganten Geschäfte ihrer Brüder durchsetzt und letztlich alle umso brutaler aufs Kreuz legt. Eine Egoistin, die aus dem Weg schafft, wer ihr in die Quere kommt.

Nina Hoss balanciert als Regina zwischen konventioneller Liebenswürdigkeit, egoistischer Kälte und unbeherrschten Ausbrüchen mit Triumphposen und Verliererzorn. Mit ihrer Figur sucht Ostermeier den Anschluss an seine Ibsen-Protagonistinnen Hedda Gabler und Nora. Doch während Nora sich bei Ostermeier den Weg in die Unabhängigkeit frei schießt und Hedda sich selbst die Kugel gibt, um aus ihrem Hausfrauendasein auszubrechen, wird Regina nach Stückende ihr neues Upper-Class-Leben in New York beginnen. Zuvor hat sie ihrem kranken Mann Horace die Medizin verweigert. Sein Tod verhindert die Änderung des Testaments und damit ihren finanziellen Ruin.

Ostermeier und sein Dramaturg Florian Borchmeyer haben das geschwätzige Stück angenehm entschlackt und aus dem amerikanischen Nord- und Südstaatenkonflikt um 1900 in die deutsche Gegenwart verlegt. Mit dem Firmenvermögen soll nun im Ausland spekuliert werden; verhandelt wird das im kühlen Design der tiefschwarzen Bühne, geschickt umspielt von Licht- und Schatteneffekten – ein weniger realistisches Klima des Bühnenbildners Jan Pappelbaum als seine früheren Arbeiten für Ostermeier.

Leichter Schwindel

„Die kleinen Füchse“ von Lillian Hellmann an der Berliner Schaubühne: 20., 21. und 22. Januar sowie dem 16., 18., 19. und 20. Februar – jeweils um 20 Uhr.

Auf der Drehbühne verschiebt sich der Boden so langsam, als leide man unter leichtem Schwindel, darauf eine Gruppe Ledersessel und ein Flügel, an dem die angeheiratete Aristokratentochter Birdie ihre Sehnsucht nach Poesie auslebt. Darüber die endlose Treppe, auf der Horace zusammenbrechen wird. Hinten das Esszimmer, mit dem gepflegten Charme der Bourgeoisie, der eleganten Dame des Hauses entsprechend.

Man streitet übers Business auf der Ledercouch – unter der anfänglichen Freundlichkeit liegen die Egoismen blank. Mark Waschke gibt Bruder Ben als sportliches Alphatier, David Ruland spielt den subalternen Bruder Oscar, sein Sohn Leo ist bei Moritz Gottwald ein aufgeblasener Wicht, der hysterisch durchdreht, als das große Geschäft ihn in den Knast zu bringen droht.

Sie alle spielen großartig, doch Ursina Lardi entwickelt sich als Oscars trunksüchtige, unterdrückte Ehefrau Birdie, dem Gegenstück zur emanzipierten Regina, zur zweiten Hauptrolle. Wie sie ins Klavierspiel eintaucht, aufgekratzt im Negligé umher stakst, die Schläge ihres Mannes vertuscht und ihr verpfuschtes Leben beklagt, ist so schmerzerfüllt wie grotesk komisch.

Horace, bei Thomas Bading ein gebrochener Mann, erkennt Angesichts seines Sterbens, dass Geld ihn nicht weit gebracht hat. Die Tochter Alexandra will er deshalb – im Originaltext – aus dem kapitalistischen Sumpf retten. Letztlich lehnt sie sich tatsächlich gegen Regina auf.

Der Mutter den Krieg erklären

Anders bei Ostermeier: Er verabschiedet sich von jeder Hoffnung in eine künftige Generation, die sich von der herrschenden Wirtschaftswelt befreien könnte. Statt erhobenen Hauptes der Mutter den Krieg zu erklären, wendet sich Alexandra ab und geht auf ihr Zimmer. Ende offen. Regina beherrscht jetzt die Firma, sie hat die schärferen Zähne gezeigt – die Moral ist auf der Strecke geblieben. Einsam steht sie in der Schlussszene auf der Bühne und schaut angstvoll die Treppe hinauf, wo ihre Tochter sie soeben verlassen hat.

Ostermeiers Thema, die Erforschung, wie sich kapitalistisches Denken aufs Zwischenmenschliche auswirkt, lässt sich bei Ibsen besser darstellen als mit den „Kleinen Füchsen“. Hellmans Figuren wirken vom ersten Moment an durchökonomisiert und kaum von erkennbaren psychologischen Motiven geleitet. Sie bleiben flach, sodass Ostermeier mit ihnen nicht so weit kommen kann wie mit Ibsens ambivalenter Figurenzeichnung. Dennoch: Ein schöner Schauspielererfolg ist ihm allemal gelungen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.