Wege zum Unglück

Heute will der ZDF-Fernsehrat Markus Schächter als Intendanten wiederwählen. Dafür gibt es eigentlich keinen vernünftigen Grund. Im Gegenteil: So lahm wie heute war das Zweite selten

Von HANNAH PILARCZYK
und PEER SCHADER

Roger Schawinski hat bei Sat.1 den Mut, mit Innovationen auch mal danebenzuliegen. Anke Schäferkordt will RTL mit lauter Familienformaten aus der Krise kuscheln. Bei der ARD wird unter Programmdirektor Günter Struve das Abendprogramm samt „Tagesthemen“ und Politmagazinen umgebaut. Wofür aber steht ZDF-Intendant Markus Schächter? Für die erfolgreiche Einführung der Telenovela, die für einen anhaltenden Kitschboom im deutschen Fernsehen sorgt? Wofür sonst? Fällt Ihnen was ein? Uns nicht. Dennoch soll er heute vom ZDF-Fernsehrat für weitere fünf Jahre als Intendant in seinem Amt bestätigt werden, um eine Wahlblamage wie vor vier Jahren zu vermeiden. Fünf Argumente, die dagegen sprechen.

1. Schächter hat das Verhältnis zur ARD abkühlen lassen

2006 wird das Jahr der Gebührendiskussion: Die privaten Rundfunkanbieter klagen gegen das deutsche Finanzierungssystem in Brüssel, und die ARD strebt eine Verfassungsklage gegen den Gebührenbeschluss der Ministerpräsidenten an. Die hatten die Gebührenerhöhung entgegen dem Vorschlag der zuständigen Kommission KEF deutlich gekappt. Scharfer Wind, der den Öffentlich-Rechtlichen da entgegenbläst. Doch von einem geschlossenen Auftreten sind ARD und ZDF meilenweit entfernt – weil Schächter lieber auf Nebenschauplätzen kämpft.

So scheut er die Auseinandersetzung mit der Politik und will nicht mit der ARD vor das Verfassungsgericht ziehen. Gleichzeitig empfindet es Schächter schon als „Kriegserklärung“, wenn die ARD verkündet, ihre „Tagesthemen“ eine Viertelstunde vorzuverlegen – schon mal was von Wettbewerb gehört? Bezeichnend, wie die ARD reagierte, als Schächter im Oktober beanspruchte, den Gemeinschaftssender 3sat allein weiterführen zu wollen: „In der Sache verfehlt und rundfunkpolitisch aussichtslos“, urteilte SWR-Intendant Peter Voß trocken.

2. Unter Schächter hat das ZDF fleißiger denn je die Privaten kopiert

Nach dem RTL-Erfolg „Deutschland sucht den Superstar“ lief im ZDF der Schlager-Klon „Die deutsche Stimme“. Nach den Ranking-Shows bei den Privaten sendete das ZDF „Unsere Besten – Die Jahrhundert-Hits“. Nach den Raab-Event-Shows bei Pro7 bat Johannes B. Kerner im Frühjahr zum „Großen Promiturnen“. Außerdem ist das ehemals ambitionierte Magazin „ZDF.reporter“ zu einem Sensationsprogramm verkommen, wie es abstoßender und „explosiv“-ähnlicher kaum sein könnte. Und müssen wir noch etwas zu „Hallo Deutschland“ und „Leute heute“ sagen?

3. Schächter ist inkonsequent, was Schleichwerbung angeht

Als vergangenes Jahr herauskam, dass in ZDF-Vorabendserien systematisch verbotenes Product Placement betrieben wurde, gab sich Schächter empört und ließ eiligst ein Statut aufsetzen, in dem festgeschrieben wurde, dass es so was nicht mehr geben werde. Das ist Blödsinn, weil Schächter gleichzeitig an so genannten Kooperationen festhält, bei denen Wirtschaftspartner ins rechte Licht gerückt werden – und zwar außerhalb des zumutbaren Sport-Sponsorings.

Bei „Unsere Besten“ wurde lange Zeit für einen großen Kaufhauskonzern geworben, die Einrichtungssoap „Ricks Wohnwelten“ ist eine einzige Unverschämtheit, was Hinweise auf Produkte angeht. Auf dem Mainzer Lerchenberg rechfertigt man die Deals damit, dass Partner im Abspann genannt würden. Stimmt. Ganz zum Schluss und so schnell, dass man als Zuschauer kaum eine Möglichkeit hat zu verstehen, was die ganzen Namen zu bedeuten haben.

4. Schächter hat den Zuschauerausgleich versäumt

Mehr ostdeutsche Zuschauer werde das ZDF künftig erreichen, versprach Schächter nach seinem Amtsantritt im Jahr 2001. Mit welchen Inhalten das geschehen sollte, verriet er nicht. Vor zwei Jahren sendete das Zweite eine eilig zusammengeschusterte Ostalgie-Show. Und dann nichts mehr. Warum gibt es eigentlich kein Reportage-Magazin, das sich ausschließlich mit Themen aus den neuen Bundesländern beschäfigt, eine halbe Stunde in der Woche, am späten Abend, von uns aus direkt vor „Kerner“, damit ja niemand überfordert wird?

5. Mit Schächter ist das ZDF kein bisschen jünger geworden

Niemand kann erwarten, dass ein Sender, dessen Zuschauer im Schnitt beinahe 60 Jahre alt sind, von heute auf morgen erfolgreich auf jung getrimmt wird. Aber ein bisschen mehr Ausdauer mit neuen Formaten und ein paar gute Ideen mehr wären schon angebracht. Es hat zumindest nicht sehr lange gedauert, bis die als ZDF-Hoffnung angekündigte Barbara Schöneberger mit ihrer Samstagspätabendshow wieder aus dem Programm verschwunden war. Vom Daneben-Versuch mit „Bravo TV“ für Teeanager wollen wir gar nicht erst reden. Nein, man kann dem ZDF nicht ewig vorwerfen, es sei der Kukident-Sender für die Alten, Pardon, die „aktive Mitte“ (O-Ton Schächter). Aber man kann ihm auch nicht zugute halten, alles versucht zu haben, das zu ändern.

Resümee: Schächter hat kein Profil

Er ist ein guter Verwalter, einer, der auch ein Finanzamt leiten könnte und dessen prägendste Leistung es bislang war, im ZDF ein neues internes Briefpapier einzuführen. Das sind die Schritte, in denen das ZDF derzeit vorangeht. Die Generalüberholung, die der TV-Koloss schon unter Vorgänger Dieter Stolte nötig hatte, hat Schächter nicht angepackt. Es ist nicht zu erwarten, dass ihm das in den kommenden Jahren gelingen wird.

Mitarbeit: Christian Franke