Eine kritische Stimme

betr.: „Feindbild Islam“ von Katajun Amirpur, taz vom 5. 12. 05

Endlich mal ein erster Ansatz für eine sachliche Diskussion zum Thema Islam! Es ist erschreckend, mit welcher Unkenntnis Deutsche, aber auch Türken sich hierzulande zum Thema äußern. Frau Amirpur hat in ihrem Artikel den Blick auf entscheidende Tatsachen gelenkt: Aus welchen sozialen Verhältnissen kamen denn die meisten türkischen Emigranten? Dazu empfehle ich dringend ein Büchlein, das in Deutschland Ende der 60er-Jahre erschien: M. Makal, „Mein Dorf in Anatolien“. Hier kann man studieren, in welch gewaltsamen Verhältnissen unsere erste Generation von Emigranten herangewachsen war. Auffällig, wie wenig der Islam, die Religion dabei prägend war. Wer sich noch ausführlicher, ungeheuer eindrücklich mit dem kulturellen Hintergrund in Anatolien auseinander setzen will, der sollte die großen Epen Nazim Hikmets studieren und die Romane von Yașar Kemal lesen! Hier wird eine Welt aufgezeigt, in der es um das tägliche Brot, um Besitz, Herrschaft, um Liebe, Rache, Neid und Habsucht geht, Islam findet man höchstens an den Rändern.

Dass die drei monotheistischen Religionen strukturell mit Gewalt zu tun haben, jede auf ihre spezifische Art, das sind doch wohl Binsenweisheiten, die heute jeder Oberschüler schon lernt. Wie sich das aber konkret im Islam, ja in den einzelnen Ländern, z. B. der Türkei äußert, das ist die offene Frage, die man nur mit empirischen Daten belegen kann. Und diese gibt es jedenfalls im deutschsprachigen Raum nicht. Ich hoffe, dass diese kritische Stimme von Frau Amirpur lauter wird und nicht einfach im Schwall der vielen Islamschwafler verhallt! FRANZ KLUGE, Kleintettau

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