Gejubelt, gesprungen und geschubst

MOSHPIT Die Indierockband Foals bringt das Astra zum Beben. Körperkontakt ist unvermeidbar, in den Moshpits tobt der Aufstand

Jede der bedrohlich klingenden Textzeilen wird furios mitgeschrien

Dienstagabend, halb sieben. Der Hof vor dem Astra Kulturhaus ist von grauem Schneematsch verdeckt. Trotz Minusgraden steht eine Gruppe junger Menschen bereits eine halbe Stunde vor Einlass Schlange, um einen guten Platz zu ergattern, denn das Konzert der Oxforder Band Foals ist bis auf die letzte Karte ausverkauft. Ihr von Funk beeinflusster Indierock hatte sie zu einer der meist gehypten Bands der nuller Jahre gemacht.

Anfang Februar ist ihr drittes Studioalbum „Holy Fire“ auf Warner Music erschienen. Die Kombination aus dunklen, leidvollen, ja nahezu depressiven Texten, derben Drums und in hohen Tonlagen flirrenden Gitarren macht ihren Sound originell. Die Musik der Foals zeichnet sich durch ihre Tanzbarkeit aus, die von Wehmut angefeuert wird.

Das Publikum besteht zu großen Teilen aus Hipsterjungen und Indiemädchen, aus (zumindest räumlich) unzertrennlichen Pärchen, aus spanischen Twenty-Somethings und aus Yuppies mit grauem Haaransatz, und so reicht die Altersspanne von 16 bis 40 Jahren.

Die Vorband Jagwar Mar aus Sydney hat einen engen Bezug zum Haupt-Act: Ihr Beatproduzent Jono Ma ist kein Geringerer als der Bruder des Foals-Videoproduzenten Dave Ma. Als das Trio die Bühne betritt und die Halle mit einer Mischung aus Alternative Rock und elektronischen Klängen füllt, wippen die Leute nur mit. Doch als ihre fünf britischen Kollegen ihren Auftritt mit „Prelude“ einläuten, ist das Publikum so was von da. Es wird gejubelt, gesprungen und geschubst, dank intensiven Körpereinsatzes tropft den meisten bereits nach dem zweiten Song der Schweiß über den Rücken. Körperkontakt ist unvermeidbar, in den ersten Reihen kann man sich kaum bewegen, so eng ist es. In der Mitte gibt es die wilden Moshpits, und weiter hinten stehen die Fans, die in Ruhe die Musik genießen wollen. Der Geruch von Zigarettenqualm, Schweiß und Bier hängt in der Luft, alles ist klebrig und heiß. Ekstatisch auch, die melancholischen Texte werden vom Publikum laut mitgerufen, und der Frontmann Yannis betont sie durch theatralische Gesten.

Sowohl neue Songs als auch die Herzstücke der früheren Alben werden gefeiert. Mit „Electric Bloom“ erreichen Publikum wie Band den Gipfel des Ekstase: Yannis springt von der Bühne und lässt sich passend zur aufsässigen Stimmung des Liedes von der Masse tragen. Jede der bedrohlich klingenden Textzeilen wird jetzt furios mitgeschrien, dem Energiepegel nach wären Foals und Fans gemeinsam in der Lage, jegliche Autorität durch eine Revolte zu stürzen.

Der emotionale Höhepunkt ist wie erwartet die Performance eines ihrer bekanntesten und gleichzeitig ruhigsten Songs „Spanish Sahara“. Es kommt überraschend, dass er gespielt wird, weil erstens das Intro einige Zeit zuvor subtil angespielt und dann abgesprochen wurde. Zweitens bleiben Foals in ihrer Set-List meistens konsequent: Ihre Hits „Cassius“ und „Hummer“, die dank ihrer Dauerpräsenz in Indietanzklubs mittlerweile so ausgelutscht wie ein Hustenbonbon sind, spielen sie – ob aus Liebe zu den Urfans oder zu sich selbst – gar nicht erst. Obwohl einige Gäste brennende Wunderkerzen und Feuerzeuge hochhalten, bleibt eine Pur-eske Stimmung aus, was wohl dem schnelleren Part des Titels zu verdanken ist. HENGAME YAGHOOBIFARAH