Kommentar HSV-Chaos: Gekaufter Erfolg, Stufe zwei

Professionalisierung bedeutet auf Hamburgisch nicht mehr Fußballsachverstand, sondern mehr Einfluss für Betriebswirte. Mit fatalen Konsequenzen

Das unwürdige Spektakel beim HSV gründet in einer tiefen Kränkung. Man hält sich immer noch für einen Spitzenklub. Sei es, weil der Verein als einziger ununterbrochen in der Bundesliga spielt, sei es, weil er 1983 mal Europas Krone holte. Das Jammertal, das er seither – mehr oder weniger tief – durchschreitet, gilt als Missverständnis, als Irrtum der Geschichte.

Dieses Anspruchsdenken hat verhindert, dass die Hamburger einen behutsamen Neuaufbau versuchen. Immer war das Ziel Champions League, darunter alles Mist. Der HSV ist dafür an die Grenze der finanziellen Möglichkeiten gegangen – und darüber hinaus. Als könnte man Erfolg kaufen. Es gibt kein vulgäreres Missverständnis des Erfolgs, den der FC Bayern in den vergangenen Jahren gehabt hat. Dass dieser auf einer tief greifenden Professionalisierung beruht, fällt dabei unter den Tisch.

Professionalisierung bedeutet auf Hamburgisch nicht etwa mehr Fußballsachverstand, sondern mehr Einfluss für Betriebswirte und Marketingfritzen. Sie sollen den Erfolg kaufen. Gut gegangen ist das zuletzt, als Sportchef Dietmar Beiersdorfer in Europa hoffnungsvolle Talente einsammelte, sie beim HSV reifen ließ und mit Gewinn weiterveräußerte. Als Nebeneffekt schossen sie den HSV nach Europa. Danach wurde nur noch Geld verbrannt.

Das nun geplante Investorenmodell „HSV Plus“ ist die zweite Stufe: Erfolg kaufen – mit fremdem Geld. Doch Klaus-Michael Kühne könnte der Strukturreform einen Bärendienst erwiesen haben: Nachdem die Mitglieder erlebt haben, wie der Investor im Wartestand um ein Haar alle Strukturen des Vereins hinweggeschwemmt hätte, könnte es knapp werden mit der nötigen Dreiviertelmehrheit.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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