Kolumne Schwarz-Rot-Gold: Krieg und Frieden
Die auf einer Skischanze installierte olympische Flamme ist in Sotschi weit sichtbar. Kein Symbol wirkt dort falscher als dieses.
B ERLIN taz Die Wettkämpfe des Tages in Sotschi waren beendet. Und während die Russen ihrem düpierten Eishockeyteam nachtrauerten, marschierte der FC Bayern gerade im ZDF fröhlich ins Londoner Emirates Stadium ein. In der ARD lief als Gegenpart zur Champions League ein „Brennpunkt“ zur Ukraine. Der ARD-Livestream gönnte den letzten Betrachtern aber einen Blick auf das olympische Feuer, das auf einer stilisierten Skischanze lodert.
Dieses sich in den Nachthimmel streckende Flackern schuf einen absurden Moment, der nur vom Gequieke einiger Sporttouristen auf der Medals Plaza gelegentlich unterbrochen wurde. Denn das künstliche Abendlicht gilt auch als Symbol für den olympischen Frieden.
In der Antike galt schon vor Beginn der Wettkämpfen eine allgemeine Waffenruhe – damit die AthletInnen gefahrlos zu den Spielen reisen und daran teilnehmen konnten. Eine leblose Tradition; jüngstes Beispiel ist die Ukraine. Dank des Olympischen Komitees weiß der kritische Zuschauer ohnehin: Sport und Politik gehören einfach nicht zusammen. Ein bitterer Fortschritt.
Wie mag sich wohl der antike Kulturstifter und Feuerbringer Prometheus fühlen, der, legt man die alte Sage anachronistisch aus, wohl immer noch mit einer zerhackten Leber in einer Kaukasusspalte klebt, die Flamme von Sotschi vor der Nase. Seine Schmerzensschreie verhallen an der Küste des Schwarzen Meeres ebenso ungehört wie das Echo vom Maidan in der Ukraine.
Sport hat mit Politik nichts zu schaffen? Damit wird das Bild der Fackel im Livestream zum Dekostück. Man fühlt sich an ein nächtliches TV-Accessoire erinnert. Das Kaminfeuer knisterte beruhigend aus der Glotze heraus. Nichts anderes ist das olympische Feuer aktuell – eine Belanglosigkeit, die die Medien bewusstlos mittragen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!