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Prostitutionsgesetz in SchwedenExportartikel Nummer Eins

Die schwedische Botschaft in Berlin wirbt für Schwedens Sexkaufverbot. Die BefürworterInnen des Verbots bleiben unter sich. Die CDU ist interessiert.

Jedes Land macht's anders: In Zürich werden Freier in eine Prostitutionszone geleitet, mit Garagen für den schnellen Sexkauf. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Femen sind auch da. Junge, lieblich anzusehende Frauen mit Blumenkränzen im Haar. Genau die richtigen Werberinnen: Die schwedische Botschaft hat zusammen mit der feministischen Zeitschrift Emma zur Debatte geladen: „Prostitution. Der schwedische Weg“.

In Schweden ist der Sexkauf verboten: Der Freier macht sich strafbar, die Prostituierte aber nicht. Sowohl die schwedische Botschaft als auch Emma finden das einen gangbaren Weg auch für andere Länder und so findet man sich unversehends wieder in einer Art Werbeveranstaltung für Schwedens erfolgreichsten Exportartikel: Frankreich will ein Verbot, Irland und Großbritannien denken drüber nach. Norwegen hat es auch – will es aber vielleicht wieder abschaffen. Norwegen ist aber kein Thema heute.

Der schwedische Kommissar Jonas Trolle beschreibt, wie die Polizei Sexkäufern auf der Straße und vor den Wohnungstüren auflauern. „Es ist eigentlich ganz einfach“. Schon der Versuch, Sex zu kaufen, ist strafbar. Der mutmaßliche Freier und die Prostituierte werden getrennt befragt, und oft sei der Mann geständig, so Trolle. Schweden, das Land, in dem Freier sich quasi selbst entlarven.

Die Juristin Anna Skarhed hat das Gesetz evaluiert und ist zufrieden damit. Die Prostitution hat sich verringert, jedenfalls im Vergleich zu Norwegen, das damals noch kein Verbot hatte. Vergleichszahlen für Schweden vor dem Verbot scheint es nicht zu geben. Egal.

Die Schweden sind zufrieden

Der Menschenhandel mache seither einen Bogen um Schweden, nur 21 Anzeigen gab es 2012. Und: Die Schweden sind einverstanden mit ihrem Sexkaufverbot. 70 Prozent finden, dass es ein gutes Gesetz ist. Es gebe zwar einige Forscher, die die Wirksamkeit des Gesetzes bezweifelten, aber die seien vielleicht nicht so objektiv, so Skarhed. Berichte über die Verlagerung der Prostitution in die Illegalität, die den Beruf damit gefährlicher mache, bezeichnete sie als Mythos.

Der Vize-Generalstaatsanwalt Thomas Ahlstrand nennt das Gesetz sogar „die intelligenteste Erfindung, die Schweden je gemacht hat“. Menschenhandelsopfer seien viel kooperativer, wenn sie begriffen hätten, dass sie als Opfer und nicht als Täterinnen behandelt würden. Die meisten von ihnen wollten einfach nach Hause fahren.

Irgendwie sieht in Schweden alles so einfach aus. Die Bösen gehen fast von allein ins Netz, die Opfer stellen keine komplizierten Ansprüche, und alle sind zufrieden. Die deutsche Seite dagegen hat viele Probleme. Wie kann man Menschenhandelsopfer überhaupt erkennen? Warum brauchen wir immer Zeuginnen, die auch noch aussageunwillig sind? Menschenhandel und legale Prostitution seien einfach nicht zu trennen, tut ein Kommissar kund.

Ins Kino oder in den Puff

Niemand interessiert sich dafür, dass die jungen Frauen aus Südosteuropa quasi noch Kinder sind, denen man erst einmal den Gebrauch eines Kondoms erklären muss. Das erzählt Sabine Constabel, Sozialarbeiterein aus Frankfurt am Main. „Die Freier gehen in den Puff wie ins Kino. Die denken nicht darüber nach, dass sie da Leben vernichten.“ Sie kenne junge Prostituierte, die sich ein ganzes Jahr lang nach jedem Freier übergeben musste.

Was aber rechtfertigt den Eingriff in die Handlungsautonomie von Prostitutierten und Freiern? Schweden hält gekauften Sex schlicht für krankhaft. „Die Prostituierten sind multipel traumatisierte Frauen,“ meint Kommissar Trolle. „Wenn wir ihnen klar machen, dass wir nicht sie verfolgen, dann tauen viele auf und erzählen uns ihre Geschichte.“

Und Sabine Constabel erklärt, dass die Frauen, die freiwillig der Prostitution nachgehen nur 10 bis 20 Prozent der Huren ausmachen. Und die machen sich etwas vor: „Das ist eine Illusion. Im Laufe einer Karriere relativiert sich das stark. Diese Frauen reden sich selbst etwas ein.“ Sind die 80 Prozent Zwangsprostituierte? Oder treibt sie die Armut? Bleibt unklar.

Verkaufsveranstaltung geglückt

Eine besondere Rolle spielt Moderator Ranga Yogeshwar. Er hat den Appell von Alice Schwarzer gegen Prostitution unterschrieben. Danach hätten ihn einige Callgirls angerufen um ihn darüber zu informieren, dass er ihnen quasi ein Berufsverbot erteilen wolle. Er habe nach der Freiwilligkeit gefragt „Und ich habe nie eine ehrliche Antwort bekommen“, so weiß er in seiner Eigenschaft als Lügendetektor.

Mit tatkräftiger Unterstützung des Moderators hat Schweden eine gute Verkaufsveranstaltung hingelegt. Die ProstitutitionsgegnerInnen wittern ein „Window of Opportunity“. Wenn der Sohn erzählt, nach der Abifeier solle kollektiv in den Puff gegangen werden, dann erschrecken sich auch die liberalsten Eltern: Es ist eine Art Prostitutionskultur entstanden, die vielen dann doch zu schaffen macht. Und im Publikum sitzen an diesem Tag CDU-Politiker wie der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Michael Brandt. Der findet alles sehr informativ und fragt interessiert nach, welche Gesetze denn die Polizei nun gerne hätte. Verkaufsveranstaltung geglückt.

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14 Kommentare

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  • H
    hmm

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum man zwischen legaler Prostitution und Zwangsprostitution nicht unterscheiden können soll. Natürlich könnte da bei der Lizensierung einer Prostituierten Einiges verbessert werden (ausführliche Befragung, Aufenthaltsstatus, soziale/ finanzielle Situation, Anhebung des Mindestalters auf 21-25, Arbeitsort, behördliche Ansprechpartner und Betreuer, Kondompflicht, etc.). Die Kategorische Behauptung, legale Prostitution wäre von Zwangsprostitution nicht zu trennen, ist nicht begründbar. In Schweden und Norwegen waren sind auch immer eine Mehrheit der Bevölkerung für das totale Verbot von Alkohol, dennoch konnte man aus ökonomischen Gründen nie richtig durchsetzen und die protestantischen Bürger besaufen sich gerne mal auf Fähren und in den liberaleren Nachbarländern.

  • G
    Gefühlswallung

    "Der schwedische Kommissar Jonas Trolle beschreibt, wie die Polizei Sexkäufern auf der Straße und vor den Wohnungstüren auflauern. „Es ist eigentlich ganz einfach“. Schon der Versuch, Sex zu kaufen, ist strafbar. Der mutmaßliche Freier und die Prostituierte werden getrennt befragt, und oft sei der Mann geständig, so Trolle."

     

    Schweden - das früher liberale, heute wohl repressivste Land Europas. Man möckte ko...

  • D
    D.J.

    Ideologisches Entweder-Oder-Denken nervt. Reformbedarf gibt es. Prostituion nicht im Rahmen abhängiger Beschäftigung. Schaffung von selbstverwalteten Häusern. Möglichwerweise auch überlegen, ob Anhebung des Schutzalters auf 21 bei bestimmten, potentiell riskanten Formen der Prostitution.

    Prostiutionsverbot wäre aber ein Rückfall in - nein nicht ins Mitelalter, wo man um die Sinnlosigkeit eines Verbots wusste - sondern in die überaus repressive Zeit der Reformation und Gegenreformation mit einem Wettlauf um die bessere Moral - nun aber unter säkularem Tugendeifer.

    Und machen wir uns nicht vor: Schweden ist eine eher enge Gesellschaft mit sehr scharfer sozialer Kontrolle. Naiv zu meinen, dass alle ehrlich ihre Meinung offenbaren.

    Yogeshwar: Früher gut. Aber da meinte er noch nicht, zu allem seinen Senf abgeben zu müssen.

  • D
    dave

    Das Gesetz verbietet Prostitution nicht es verbietet den Besuch von Prostituierten, sollte ein Freier eine Prostituierte misshandeln kann sie ohne Probleme zur Polizei, dadurch sitzt die nun am längeren Hebel

  • MV
    Mark von Fistenberg

    Zweedse Prostitutiewet: Nieuw importproduct Nummer Één

  • A
    aurorua

    Laut diversen Statistiken gehen -warum auch immer- um 80% der deutschen Ehemänner zu Prostituierten.

    Vielleicht bin ich ja ein Konservativer "alter Sack" aber mein Verständnis von Ehe und Familie beinhaltet auch Werte wie Vertrauen -auch im Sinne von Treue-, insofern fände ich es nur richtig, wenn Männer gelegentlich nach Hause kämmen und Ihre Liebste winkt schon mit dem Bußgeldbescheid wegen unerlaubtem Erwerb käuflicher Dienstleistungen in Sachen SEX.

    Vielleicht irre ich ja, aber den ganzen Tag/Nacht SEX und dabei auch noch Geld verdienen ist doch eher etwas für "Nymphomaninnen" (bis auf wenige Ausnahmen), von daher sind die 10-20% plausibel.

  • F
    franz

    Hier in Österreich werden gerade die Prostituierten kriminalisiert. In Bälde ist alles im Untergrund versunken. Ein wenig Schweden gibt es also bald auch hier. Schöne neue Welt. Was man nicht sieht das gibt es nicht.

     

    Es passt ausgezeichnet zu schwedischen Gesellschaft so zu denken. Verlogener ist wohl kaum irgendein Land in Europa.

  • AG
    Als Gast

    Die Prostitution Minderjähriger ist sowieso verboten. D.h. wenn es um "quasi Kinder" geht, braucht es kein neues Verbot. Allerdings sollten Jugendliche heutzutage doch aufgeklärt sein und alles über Kondome wissen, oder nicht? Wir haben es also mit mangelhafter Sexualaufklärung zu tun.

     

    Freiwillige Handlungen erwachsener Menschen zu verbieten, die niemandem anderen Schaden zufügen, ist völlig indiskutabel und erinnert an das Verbot der Homosexualität. Selbst wenn tatsächlich nur 10 oder 20 Prozent der Prostitution freiwillig geschehen sollte (was ich nicht glaube), so kann es keine Rechtfertigung geben, diesen 10 oder 20 Prozent der Sexarbeiterinnen und -arbeitern ihren Beruf zu verbieten.

  • Die Deutschen wissen sehr wohl, daß sie keine aufgeblasenen Moralapostel wie Yongeshwar hier wollen ! Deswegen sprachen sich auch bei einer "Panorama"-Umfrage 83,6% der Teilnehmer gegen ein Verbot der Prostitution aus.

    Denn die Deutshen wissen, daß Personen wie Constabel Propagandalügen hier verbreiten. und bei dem, was dieser Yongeshwar sagt, kann einem nur mehr übel werden.

    Die Prostituierten seien "multipel traumatisierte frauen" - ein solcher unglaublicher Humbug wird tatsächlich noch abgedruckt......

    Hier soll ein Teil der Gesellschaft von sexueller betätigung von Staat wegen ausgeschlossen werden. Und soetwas nenne ich Nazi-Ideologie pur, denn der Nazistaat hat genau dies getan ! Was damals Juden und andere Mißliebige, das sind heute Sexdienstleisterinnen und ihre Kunden, denen man hier mir nix dir nix gedenkt, die sexuelle Selbstbestimmung wegzunehmen - weil ja niemand sich gegen eine solche Schweinerei richtig zur Wehr setzt. Es fehlt ja nur noch, daß sich die Steuerbetrügerin Schwarzer offiziell mit dem Papst verbündet, um uns hier die richtige moral zu bringen.

    Immer dieselben, an den Haaren beigezogenen Lügen, ob nun von der zitierten Constabel oder von angeblichen "Kriminologen".

    Ich kann ja mal etwas dazu beitragen hier, daß auch einmal wahre Tatsachen genannt werden, zum Beispiel, daß gerade in Frankfurt es sich durchwegs um selbstbestimmte Frauen handelt, die diesen Beruf machen wollen und von gar niemanden dazu "gezwungen" werden. Genauso dämlich sind diese ständigen Unterstellungen, angebliche Zuhälter- reine Hirngespinste- würden das Geld kassieren undsoweiter....diese Frauen haben gar KEINE "Zuhälter", und ich weiß zumindest mal, im gegensatz zu Constabel, von was ich rede !

    Wir sollen hier der Moral von Sexfeinden und sexualneidern unterworfen werden, und das unter Verleugnung jedweden Menschenrechts, das ist hier mE der Fall. Fakten werden doch von dieser Mafia gar nicht genannt, alles nur Propagandalügen von A bis Z.

  • G
    Gast

    klar Prostitutionsgesetz vs. IKEA und Prostitutionsgesetz gewinnt... wie war das noch mit übergriffen gegen Frauen wie stand Schweden da? besteht da vielleicht eine Kausalität?

  • G
    gast (weiblich)

    ich wüsste gern: woher nimmt die taz-berichterstattung ihren zynismus in sachen prostitution. körperverkauf - es war mal ein linkes und feministisches thema. heute? weg? nicht mehr "pc"? weshalb? dass es so oft deportierte frauen sind, was das für "kunden" sind: keine politische frage?

  • G
    Gast

    Man kann auch alle Restaurants schließen wenn manche es mit den Hygiene nicht so genau nehmen, lässt sich sicherlich leichter kontrollieren als die Hygienestandards.

     

    Nur verlieren dann die Gesellschaft etwas.

  • W
    Wagner

    Wünschenswert wäre es, wenn als logische Konsequenz dann auch alle anderen Berufe verboten werden, die Menschen nur betreiben müssen, um nicht arm zu werden.

     

    Und eben auch alle anderen Berufsfelder, in denen illegale Beschäftigungsverhältnisse denkbar wären. Kann man ja schließlich nie wirklich nachweisen, so eine Straftat.

     

    Daß die tatsächlich illegalen und problematischen Bereiche des Milieus von einer Illegalisierung doch eher profitieren, wie es das Beispiel Drogenkriminalität doch seit Jahrzehnten zeigt... egal.