Das Pferd schreitet zum DJ-Pult

CLUBTIERE Steffen Köhn und Phillip Kaminiak gehören zu den Ersten, die eine Drehgenehmigung im Berghain erhielten. Sie filmten dort Waschbär, Fuchs und Pferd

Sitzt ein Waschbär im Darkroom. Es klingt wie ein Witzauftakt, ist allerdings der Beginn eines kleinen Films, den es derzeit im Rahmen der Ausstellung „Kultur:Stadt“ in der Akademie der Künste zu sehen gibt. Darin erobern Tiere einen Raum, der ihnen sonst verschlossen ist, weil sich dort Menschen und Bässe breitmachen: das Berghain, diesen aus Beton und Stahl gegossenen Bauch des Berliner Clubwesens.

Und so steht ein schnaubendes weißes Pferd allein in der Panoramabar herum. Durch die großen Fenster fällt Tageslicht, das Pferd schreitet zum DJ-Pult. Es ist seltsam, diese Räume menschenleer und im Hellen zu sehen. Nicht, dass sie dadurch irgendwelche nächtlichen Geheimnisse preisgeben würden. Viel mehr verändern sie sich durch die Präsenz der Tiere. Es ist, als stünde das Berghain nicht mehr hinter dem Ostbahnhof, sondern mit offenen Türen irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern an der deutsch-polnischen Grenze. Man wartet nur noch darauf, dass ein Wolf hereinkommt. Stattdessen erkundet eine scheue Hirschkuh den Eingangsbereich. Weil die Kamera stets die Perspektive der Tiere einnimmt, wirkt der ohnehin schon hohe Raum dadurch ungleich viel höher.

Die Filmstudenten Steffen Köhn und Phillip Kaminiak gehören zu den ersten Filmemachern, die das Berghain zur Kulisse machen durften. Lange Zeit rühmte sich der Club mit einem strikten Bilderverbot, was seine mythische Verklärung nur beförderte. „Am Anfang waren wir größenwahnsinnig und dachten, wir kriegen hier Antilopen und Rentiere rein“, sagt Regisseur Köhn. Aber die konnten sich die Filmemacher mit ihrem Budget nicht leisten, und so sind die Tiere ein paar Nummern kleiner geraten. „Pferd und Hirschkuh waren ziemliche Profis“, sagt Kuhn. Wie Fuchs und Waschbär kommen sie aus Filmtierschulen, das Pferd ist vom Circus Rogall. Und während nachts die Musik die Tänzer durch das Berghain leitet, folgten die Tiere einer Spur von Leckereien. Nach drei Drehtagen war die tierische Invasion beendet, und die Jalousien in der Panoramabar wurden wieder heruntergelassen.

Der Film ist nun als Teil der Architekturausstellung „Kultur:Stadt“ bis Ende Mai in der Akademie der Künste zu sehen. Daneben werden vierzehn weitere Autorenfilme gezeigt, die sich ebenfalls mit zeitgenössischen Kulturtempeln beschäftigen – etwa dem Museum von Bilbao oder den Bibliotheken von Seattle und Medellín. Waschbären, Füchse, Pferde und Hirschkühe kommen darin aber nicht vor.

JOANNA ITZEK