Saatgut und Gewächshäuser aus dem Koffer

PEKING taz | Auf ihren Reisen zu den von ihr betreuten Projekten in Nordkorea hat Karin Janz seit zwei Jahren eine Wunderwaffe gegen bürokratische Hürden im Gepäck: Ein Foto zeigt die Deutsche im traditionellen koreanischen Glockenkleid mit einer Medaille. Die nordkoreanische Regierung hat sie ihr im Frühjahr 2008 für „Verdienste um Nordkoreas Landwirtschaft“ verliehen. „Wenn mir jemand Schwierigkeiten bereitet, ziehe ich das Bild aus der Tasche“, berichtet sie. „Das funktioniert fast immer!“

Den Orden erhielt die Leiterin der Welthungerhilfe in Pjöngjang für ein Projekt, auf das sie besonders stolz ist: Sie und ihre Kollegen haben eine Fabrik gebaut, die Saatgut für Mais reinigt und veredelt.

Janz hatte vor ihrem Einsatz in Nordkorea lange in schwierigen Regionen Chinas gearbeitet, das Wort „unmöglich“ scheint es für sie nicht zu geben. Die Saatgutanlage für Nordkorea hat sie in der 3.800 Kilometer entfernten chinesischen Provinz Gansu geordert. Von dort rollte sie auf 15 Waggons verteilt im Jahr 2007 nach Nordkorea. „Ich habe damals an den nordkoreanischen Eisenbahnminister geschrieben, um genügend Strom in den Oberleitungen zu bekommen“, erinnert sich Janz. „Innerhalb eines halben Jahres stand die Fabrik, Dutzende chinesische und hunderte nordkoreanische Arbeiter haben sie gebaut.“

Für die Deutsche ist die Fabrik ein Modell für sinnvolle Hilfe schlechthin: „Schon im ersten Jahr haben die Bauern ihre Ernteerträge mit dem verbesserten Saatgut um rund 20 Prozent steigern können, insgesamt ernteten sie rund 200.000 Tonnen mehr.“

Das ist fast ein Viertel der Getreidemenge, die nach den Berechnungen internationaler Experten fehlt, um die Bevölkerung satt zu bekommen. „Für das Jahr 2010 erwarten wir eine Verdoppelung der Erntezuwächse“, sagt Janz. Die Fabrik kostete einschließlich der Löhne und des Geldes für das Training von Bauern und Technikern 2,3 Millionen Euro. Davon stammten zwei Millionen von der EU, 300.000 aus Spendengeldern für die Welthungerhilfe.

Insgesamt hat die Organisation in den vergangenen zwölf Jahren Projekte im Wert von fast 60 Millionen Euro in Nordkorea verwirklicht. Die deutschen Helfer bauten zum Beispiel Trinkwasserleitungen und mehr als 600 Gewächshäuser, vor allem für Schulen und Kindergärten. Die Organisation entwickelte auch das Minigewächshaus für Notsituationen – etwa nach Überschwemmungen: ein Koffer mit Plastikplane und Saatgut. Janz: „Da kann man gleich anfangen, Gemüse zu pflanzen.“

Die im Ausland häufig geäußerten Bedenken, das Geld könnte in die falschen Hände geraten und die Diktatur des „Lieben Führers“ Kim Jong Il stabilisieren, teilt Janz nicht: „Wenn sich die Leute selbst versorgen können, sind sie weniger auf die Obrigkeit angewiesen“, sagt sie. „Sanktionen und Abschottung stärken das Regime nur.“

JUTTA LIETSCH