Zypern schnorrt Volk an

PLAN B Regierung will jetzt per Volksanleihe die fehlenden Milliarden auftreiben. Auch Russland soll sich beteiligen

■ Bargeld: Die Banken in Zypern sind seit sechs Tagen geschlossen. Zwar funktionieren die Geldautomaten, allerdings haben viele Menschen keinen Cent mehr auf ihrem Girokonto, weil das Onlinebanking blockiert ist. Kreditkarten werden von einigen Supermärkten nicht mehr akzeptiert.

■ Medizin: Medikamente sind laut Apothekerverband schon seit Tagen nicht mehr importiert worden: „Wenn die Banken bis Dienstag nicht aufmachen, dann werden wir Knappheiten haben.“

■ Benzin: Auch Treibstoff wird knapp. Viele Tankstellenbetreiber haben kein Geld mehr, um Spritnachschub zu kaufen. (dpa)

VON KLAUS HILLENBRAND

BERLIN/NIKOSIA taz | Zypern weigert sich, die Anleger von Banken an der Rettung der Geldinstitute und des Staates zu beteiligen, und riskiert neuen Streit mit Brüssel und Berlin. Statt einer Sparerabgabe soll eine Anleihe auf freiwilliger Basis für alle Zyprer und interessierte Ausländer aufgelegt werden, um die von der EU geforderte Eigenbeteiligung in Höhe von 5,8 Milliarden Euro zusammenzubringen. Auch Russland soll sich daran beteiligen. Ohne diesen Eigenanteil verweigern EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds die Auszahlung eines Rettungskredits in Höhe von 10 Milliarden Euro.

Die Entscheidung für diesen „Plan B“ kam nach stundenlangen Gesprächen zwischen der Regierung von Präsident Nikos Anastasiades und den zyprischen Parteien zustande. Sie kommt russischen Wünschen entgegen, die eine Zwangsabgabe für Anleger strikt ablehnen. Deren Einlagen bei zyprischen Banken werden auf über 20 Milliarden Euro geschätzt. Die Ratingagentur Moody’s geht gar von 31 Milliarden Euro aus.

Russland will seine Hilfen für das vom Staatsbankrott bedrohte Zypern vom weiteren Vorgehen der EU abhängig machen. Zypern habe Russland mehrere Vermögenswerte zum Kauf angeboten, sagte der russische Regierungschef Dimitri Medwedjew in Moskau. „Wir sind bereit, verschiedene Varianten auszuloten“, sagte er.

Der Volksanleihen-Plan sieht die Bildung eines Fonds vor, der Staatsanleihen ausgibt. Er soll mit Geldern aus Rentenkassen, der Kirche und anderen Institutionen ausgestattet werden. Alle Zyprer und ausländische Investoren werden aufgefordert, freiwillig einzuzahlen.

Geplant ist nach Informationen aus zyprischen Regierungskreisen, dass sich die russische Regierung direkt an diesem Struktur-Investment-Plan genannten Fonds beteiligt. Damit sollen die erforderlichen 5,8 Milliarden Euro zusammenkommen. Der Chef der zyprischen Zentralbank, Panicos Demetriades, zeigte sich zuversichtlich. Bis Montag werde das Hilfsprogramm feststehen, sagte er.

Eine direkte russische Beteiligung an der zyprischen Gasgesellschaft Kretik ist damit vom Tisch. Zuvor war spekuliert worden, dass Zypern Moskau Förderrechte an den Gasvorkommen unterhalb des Mittelmeers verkaufen könnte. Der Gesamtwert der Bodenschätze wird von der Royal Bank of Scotland auf 600 Milliarden Euro geschätzt.

Das Parlament in Nikosia sollte laut TV-Berichten die neuen Finanzierungspläne noch am Donnerstagabend beraten und absegnen.

Mit der Weigerung, die Bankkunden zu belasten, riskiert Zypern neuen Streit mit der EU und Deutschland. Denn Brüssel verfolgt mit der ursprünglich geplanten Zwangsabgabe auch das Ziel, den überdimensionierten Bankensektor auf Zypern zu schrumpfen. Das lehnen weite Kreise auf Zypern ab, weil die Finanzindustrie wesentliche Teile des zyprischen Volkseinkommens generiert.

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