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Lisa Wittmann über die Terrarien-Börse„Die reinste Quälerei“

Wer Durchfall mag und Tiere hasst, ist bei der Terraxotica in den Bremer Messehallen richtig: Hier kann man sich schöne Salmonellen einfangen.

Von erschreckender Schönheit: Bartagame. Bild: dpa
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Frau Wittmann, dass Sie vor Salmonellen bei der Terraristik-Börse am Sonntag warnen, ist doch Angstmacherei …?

Lisa Wittmann: Überhaupt nicht! Reptilien, die bei solchen Ausstellungen gezeigt werden, sind sogar sehr oft infiziert – da sind Raten von 90 Prozent ermittelt worden –, ohne symptomatisch zu sein. Wenn Menschen die in die Hand nehmen oder auch nur streicheln, können sie sich anstecken und Salmonellose bekommen.

Durchfall, okay, unangenehm, aber …

Das ist schon mehr als nur unangenehm: Für immungeschwächte Personen, für Kinder und auch für alte Menschen kann das durchaus tödlich enden.

Aber Peta geht es schon in erster Linie um den Tierschutz, oder?

Der Schutz von Menschen ist genauso wichtig: Menschen sind doch auch Tiere. Das lässt sich aus meiner Sicht nicht trennen – und das gilt ja auch auf der Gegenseite: Aus wirtschaftlichem Interesse werden die Menschen nicht über die gesundheitlichen Risiken einer solchen Börse informiert – bei der mit gequälten Tieren Geld gemacht werden soll.

Woran machen Sie denn das Tierleid fest bei Schlangen, von denen es heißt, dass sie alles kalt ließe?

Dass die unempfindlich wären ist ein Mythos. Von Fischen wird das auch immer gern behauptet – und ist einfach nicht wahr: Diese Tiere haben ein Zentralnervensystem, sie empfinden Schmerzen. Allerdings können sie ihr Leid nicht auf dieselbe Weise artikulieren wie beispielsweise ein Hund.

peta
Im Interview: Lisa Wittmann

25, Peta-Campaignerin, hat als Agrarwissenschaftlerin über Hygiene bei Heimtieren geforscht.

Aber sie drücken es aus?

Klar. Reptilien wechseln oft ihre Farbe infolge von Stress, oder sie legen bestimmte Verhaltensweisen an den Tag – die aber von Menschen oft missgedeutet werden. Besonders fatal ist das zum Beispiel bei Bartagamen – bei denen es aussieht, als würden sie lachen, wenn sie sich besonders unwohl fühlen.

… und das tun sie bei solchen Börsen besonders?

Es ist schwer zu sagen, was das Schlimmste ist: Einerseits werden gerade in diesem Bereich sehr viele aus der Wildnis entnommenen Tiere angeboten, andererseits sind die Zuchtbedingungen die reinste Quälerei. So werden Schlangen meist in Rack-Boxen aufgezogen – also sehr beengt, komplett monoton, ohne klimatische Abwechslung, ohne Lichtreiz. Und schließlich sind diese Börsen selbst ein großer Stressfaktor für die Tiere.

In Bremen könnte man doch gegen die Genehmigung der Veranstaltung klagen?

Ich bin keine Juristin, das kann ich nicht beurteilen. Allerdings bin ich da skeptisch, weil ja laut Durchführungsvorschrift fürs Tierschutzgesetz ohnehin gewerbliche Tierbörsen gar nicht zulässig wären – und trotzdem niemand sich darum kümmert, das durchzusetzen. Es steht dahinter eine erstaunlich große Lobby, und es geht um viel Geld: Für die spielt weder Tierleiden noch Menschengesundheit eine Rolle.

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