„Könntest du nicht…?“

Plötzlich geht alles ganz schnell, Weihnachten naht so rasant wie ein ICE. Die Stadt ist voll und die Kinder wollen nichts politisch Korrektes, sondern das, was alle wollen – eine Mutter zweier Kinder berichtet von einer gehassten wie geliebten Routine

„Ich schlaf’ maldrüber und ruf’ zurück,okay?“

Wenn die Gespräche am Frühstückstisch vom Weihnachtsmann und seinen Kumpels beherrscht werden und ich mit zwei Kindern von anderthalb und fünf Jahren anfange Zimtsterne in unserer Vier-Quadratmeter-Küche zu backen – dann weiß ich, dass sich bald wieder die Anrufe häufen werden.

Die erste, noch moderate Variante besteht aus der Frage, was man denn den Kindern schenken könnte. Wir wüssten doch am besten, was sie brauchen könnten. Ja, richtig, das wissen wir: nicht so arg viele Geschenke. Aber mit Sätzen dieser Art beißt man bei Großeltern und ähnlich schenkwütigen Verwandten auf Granit. „Ich schlaf’ mal drüber und rufe zurück, okay?“ Im Sommer hatte ich noch die wahnwitzigsten Geschenkideen für die beiden, die ich mir, wenig vorausschauend, nicht notiert habe. Jetzt, Anfang Dezember, ist Leere in meinem Hirn.

Nicht dass Jori, der Fünfjährige, sich nichts wünschen würde. Aber ein Gewehr ist nicht drin. Gibt’s nicht. Basta. Nicht zum Fest der Liebe.

Aber hätte ich mal statt zurückzurufen bloß irgendetwas vorgeschlagen, denn beim Rückruf greift die bucklige Verwandtschaft zu Variante zwei. „Könntest du nicht was besorgen? Am besten auch gleich für Tante Hiltrud. Du weißt doch, seit ihrem Schlaganfall ist sie nicht mehr so gut zu Fuß.“ Oh nein, Tante Hiltrud soll sich bloß nicht durch das weihnachtsmarktverstopfte Mainz schleppen, um meinen Kindern eine viel zu laute Entenfamilie und einen Satz Plastikjeeps im XXL-Beutel zu kaufen. Mir wird schon was einfallen.

Und so schwindet wieder einmal der Vorsatz, nicht mehr als zweimal im Dezember in die Stadt zu gehen, wobei einmal eigentlich nicht gilt, weil ich mich da mit Glühwein besaufen wollte. Dann werden wohl die Nachmittage, an denen beide Kinder andere Küchen mit Mehl verwüsten oder mit Papa unterwegs sind, für meine vorweihnachtliche Lieblingsbeschäftigung draufgehen. NEIN, nicht Sport oder Lesen oder Putzen ohne Kinder bei lauter Musik. Ich werde mich in der Stadt rumdrücken, werde Menschen mit den abstrusesten Kopfbedeckungen begegnen und immer noch nicht wissen, was ich im Namen von Tante Hiltrud kaufen könnte. Und da ich es vor mir herschieben werde wie einen kaputten Rentierschlitten – ohne Geschenke – sehe ich mich frühestens nach dem 4. Advent verschwitzt in den Spielwarenabteilungen dieser Stadt. Wie jedes Jahr.

Aber wenn mich dann am Heiligen Abend die glänzenden Augen meiner rotbackigen Kinder im Kerzenschein ansehen, steht schon fest: Nächstes Jahr wird es wieder genauso laufen und kein bisschen anders.

Anette Harasimowitsch