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Bascha Mika über neuen Chefposten„Ich war auf Veränderung gepolt“

Bascha Mika über die „Frankfurter Rundschau“, den Sündenfall der Verleger und das Problem der Zweiklassenredaktionen.

Bascha Mika an ihrem neuen Arbeitsplatz, der „Frankfurter Rundschau“. Bild: dpa
Timo Reuter
Interview von Timo Reuter und Arno Frank

taz: Frau Mika, haben Sie heute früh schon die taz gelesen?

Bascha Mika: Warum die Kontrollfrage? Klar gehört die taz nach wie vor zu meiner täglichen Lektüre, sie ist keinesfalls aus meinem Blickfeld verschwunden. Das wäre auch fahrlässig, oder?

Grob fahrlässig. Zuletzt haben Sie ein Buch über die Schweinereien geschrieben, die älteren Frauen widerfahren ?

… und bin nun die Gegenthese für mein eigenes Buch, weil ich mit zunehmendem Alter nicht unsichtbar wurde. Allerdings habe ich die „Mutprobe“ ja auch nicht über mich geschrieben, sondern über die Erfahrung unzähliger Frauen, in der zweiten Lebensphase gesellschaftlich abgewertet zu werden. Männer dürfen älter werden, Frauen werden alt gemacht!

Was hat Sie als arrivierte Publizistin gereizt, Chefredakteurin der FR zu werden?

Drei Gründe. Als im vergangenen Sommer die vom Spiegel angestoßene Debatte über die Zukunft der Zeitung geführt wurde, beteiligten sich fast nur Männer. Ich war ziemlich sauer, wie gestandene Journalisten den Kern ihres Berufs systematisch kaputtreden. Es wurde einfach viel dummes Zeug gequatscht. Was ist denn unsere Aufgabe? Es geht um Journalismus, um Qualität und darum, wie Qualitätsjournalismus finanziert wird. Dabei reden wir hier über ein Kulturgut und dessen gesellschaftliche Funktion! Sich mit der FR in diese Debatte einschalten zu können, finde ich großartig.

Der nächste Grund: Ich hatte immer ein emotionales Verhältnis zu dieser Zeitung. Als freie Journalistin habe ich dort meinen ersten Text veröffentlicht – auf einer ganzen Seite, für die ich damals lächerliche vier Wochen zum Schreiben brauchte. Außerdem war die Rundschau die erste Zeitung, die ich selbst gekauft habe. Sie war, als es die taz noch nicht gab, das einzige Blatt, das man als Linke aus Überzeugung lesen konnte.

Und was war er dritte Grund?

Im Interview: Bascha Mika

war von 1999 bis 2009 Chefredakteurin der taz. Seit dem 1. April leitet sie mit Arnd Festerling die Redaktion der Frankfurter Rundschau. Zuletzt erschien von ihr das Buch „Mutprobe - Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden“.

Ein Verlustgefühl! Immer wenn in den vergangenen Jahren nachrichtlich der Bär tobte, habe ich die Arbeit in einer Redaktion vermisst. Dann wollte ich unbedingt Zeitung machen! Und im vergangenen Sommer dachte ich: Ende des Jahres bist du mit deinem neuen Buch fertig, Anfang 2014 wirst du 60, dann könnte eigentlich wieder was Neues kommen. Ich war biografisch auf Veränderung gepolt – und dann kam der Anruf.

Wer hat denn angerufen?

Das verrate ich doch nicht!

Machen Sie bei der FR mehr Zeitung als bei der taz …

… und weniger Management? Derzeit haben wir in der Chefredaktion keine Aufgabenteilung, Arnd Festerling und ich machen alles gemeinsam. Wie sich das einpendeln wird, muss sich noch herausstellen. Dabei geht es uns auch darum, die FR wieder stärker sichtbar zu machen. Denn viele Menschen, die Sympathien für die Rundschau haben, fragen sich, wo die Zeitung jetzt steht –nach Insolvenz und Übernahme durch die Frankfurter Sozietät und FAZIT-Stiftung.

Wie ist denn die Stimmung im Hause?

Es riecht nach Aufbruch! Bis vor Kurzem ging es darum, sich zu konsolidieren und im neuen Verlag zurechtzufinden. Die entscheidende Frage war, wie man es hinbekommt, mit weniger Leuten eine gute Zeitung zu machen. Was immer bedeutet: Print und Online. Der Druck auf die Redaktion, ihre Leserinnen und Leser, Userinnen und User nicht zu enttäuschen, ist wahnsinnig groß. Zumal die FR sehr treue Anhänger hat.

Für mich ist das, was die Kolleginnen und Kollegen hier geleistet haben, eine kleine Heldengeschichte. In den letzten zehn Jahren gab es immer wieder Sparrunden, die Zahl der Mitarbeiter wurde stetig kleiner. Das kann die Motivation und das Selbstverständnis einer Redaktion zerstören. Doch das Gegenteil ist der Fall. Schließlich geht es ja auch um eine Marke mit großer Tradition.

Die Tradition ist also die Marke?

Nein, nicht nur. Aber bei der FR gehört zum Markenkern auch ihre Tradition – ähnlich übrigens wie bei der taz. Die Geschichte der Zeitung grundiert die journalistische und publizistische Haltung, sie verortet das Blatt auf dem Markt und in der Medienlandschaft. Wo kommen wir her und wo wollen wir hin?

Die FR hat erstmals seit vielen Jahren wieder ein Plus im operativen Geschäft gemacht. Wird das Geld reinvestiert? Oder greift es der FAZ-Verlag doch ab?

Da fragen Sie am besten die Geschäftsführung. Für uns in der Redaktion ist das gute wirtschaftliche Ergebnis natürlich super und eine große Bestätigung. Als die FAZIT-Stiftung die FR gekauft hat, gab es in der Branche große Skepsis – die ich geteilt habe. Ich hatte keine wirkliche Vorstellung, wie es mit der FR weitergehen soll.

Inzwischen ist die Redaktion davon überzeugt – und ich ebenfalls, sonst säße ich nicht hier –, dass dieser Verlag die Zeitung weiterentwickeln will, und zwar als linksliberales Blatt mit überregionalem Anspruch und starkem regionalen Standbein. Warum holt man mich sonst? Jeder weiß, dass ich keine Lokalfrau bin, und für Stillstand bin ich auch nicht zu haben.

Gehört es auch zu Ihren Aufgaben, über Geld und darüber nachzudenken, wie man es verdienen kann?

Na klar, welche Chefredaktion macht das nicht? Es war der größte historische Sündenfall der Verleger, Qualitätsjournalismus im Internet umsonst anzubieten, da könnte man heute noch vor Wut in die Tischkante beißen. Seit einigen Jahren wird versucht, das Rad zurückzudrehen, das funktioniert aber eher schlecht. Dabei ist es bei gut gemachtem Journalismus doch völlig egal, wie und wo ich ihn konsumiere – er ist sein Geld wert!

Diesen Anspruch durchzusetzen ist das Ziel. Die FR hat bei der mehrfach preisgekrönten Multimedia-App für das iPad vor über drei Jahren mit Paid Content begonnen. Der Weg wird in der ganzen Branche dahin gehen, Userinnen und User Stück für Stück auf den Geschmack zu bringen, für tolle Inhalte auch zu bezahlen.

Die überregionalen Texte kommen zumeist von der Du-Mont-Redaktionsgemeinschaft, der sogenannten Rege, aus Berlin. Ist das für die „Vollredaktion“ der FR kein Problem?

Dass bei der sogenannten Rege auch ehemalige Kollegen von der FR arbeiten, macht es einfacher. Dabei wollen wir uns als Journalisten im Grunde ja lieber auf ureigene Redaktionen stützen. Aber wenn wir aus ökonomischen Gründen auf andere Modelle angewiesen sind, um eine umfangreiche überregionale Berichterstattung zu sichern, heißt das nicht gleichzeitig Qualitätsverlust.

Hat die Zulieferung von Texten aus der „Rege“ nicht das inhaltliche Profil der FR fatal verwässert?

Natürlich hat die Marke FR in den vergangenen Jahren gelitten. Der ehemals gemeinsame Mantelteil mit der Berliner Zeitung hat der FR wahnsinnig geschadet, weil sie für ihre überregionalen Leserinnen und Leser nicht mehr richtig als Rundschau erkennbar war. Inzwischen haben wir ja wieder einen eigenen Mantel.

Und wir nehmen nicht nur Einfluss auf die Angebote der „Rege“, sondern wählen aus und gewichten. Zudem werden ja zum überregionalen Teil auch Artikel hier aus dem Haus beigesteuert. Wir machen also das Beste aus der Situation – und versuchen, das genuine FR-Profil zu schärfen und unsere publizistische Kraft zu stärken.

Wie soll das konkret geschehen?

Indem wir Print und Online gemeinsam denken, bei diesem Integrationsprozess sind wir bereits weit gekommen. Es geht um eigene Themensetzung und darum, Themen anders zu drehen. Hintergründe, Meinungen, Analysen, Kommentare machen deutlich, was Leser und User bei der FR finden und nirgendwo sonst.

Es gibt inzwischen in der FR-Redaktion fast doppelt so viele Leiharbeiter wie normale Redakteure, die ein Drittel weniger verdienen. Diese Leute sprechen von „neoliberalen Methoden“. Ist das nicht ein Problem für die Stimmung in der Redaktion?

Ist doch klar, dass da Unmut herrscht. Die Teilung erschwert auch das gemeinsame, tägliche Zeitungmachen …

Sie sind eine Linke – da trifft Sie der Vorwurf der „neoliberalen Methode“ doch wohl besonders.

Was mich wundert: Im Zusammenhang mit der FR ist dieser Punkt immer Thema – dass eine Zweiklassenredaktion inzwischen aber in fast jeder Zeitung gang und gäbe ist, wird nicht erwähnt. Es ist ein Problem der gesamten Branche! Mir gefällt diese Trennung natürlich überhaupt nicht. Denn alle Kollegen hängen sich voll rein und identifizieren sich mit der Zeitung. Alle machen die Rundschau mit großer Leidenschaft – anders wäre eine gute FR auch kaum möglich.

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1 Kommentar

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  • Man kann Bascha Mika nur viel Erfolg wünschen!

    Auch wenn die Frankfurter Rundschau natürlich keine wirklich "linke" Zeitung ist, so ist sie doch zumindest eine progressiv-liberale und notwendige Stimme in einer Medienlandschaft, die sonst von stramm konservativen, neoliberalen und rechtspopulistischen Medien dominiert wird,