Wie in Guantánamo

Besuch im US-Camp Bondsteel im Kosovo. Ein US-Militär: „Es gibt hier keine geheimen Gefangenenlager“

Sarajevo taz ■ Schon aus der Ferne sind die Häuser und Antennen von Camp Bondsteel zu erkennen. Knapp 60 Kilometer südlich von Priština, der Hauptstadt des Kosovo, hat die US-Armee seit Herbst 1999 einen der größten Militärstützpunkte in Europa geschaffen. Vor den Anschlägen des 11. September konnte man noch nach den üblichen strengen Kontrollen ins Lager hinein. Holzhäuser umsäumten die Straße, Magazine, Restaurants, Zweckgebäude wechselten einander ab. Ein Hubschrauberlandeplatz war zu sehen. Bauarbeiten unterhalb des Lagers deuteten darauf hin, dass hier eine Piste für einen provisorischen Flughafen gebaut wurde.

 Seither ist es nicht mehr so leicht, in dem Lager vorgelassenzu werden. Heute sollen hier 1.700 US-Soldaten stationiert sein. Und die Gerüchte wollen nicht verstummen, dass hier auch Verhöre durchgeführt werden. Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Alvaro Gil-Robles, hatte vor gut drei Jahren im Camp Bondsteel ein Gefangenenlager gesehen, das dem berüchtigten US-Lager Guantánamo auf Kuba ähnelte. In der Zeitung Le Monde erklärte er, die Einrichtung habe aus kleinen, von hohen Stacheldrahtzäunen eingeschlossenen Holzbaracken bestanden. In jeder Baracke seien 15 bis 20 Häftlinge gewesen. Diese hätten orangefarbene Uniformen getragen. Einige von ihnen hätten Bärte gehabt und den Koran gelesen. Eine US-Soldatin, die zum Personal gehörte, habe ihm gesagt, sie habe zuvor in Guantánamo gedient.

 „Es gibt keine geheimen Gefangenenlager im Camp Bondsteel, sondern ein Gefängnis der KFOR“, sagte dagegen erst am 25. November ein Sprecher der US-Truppen im Kosovo, Michael Wunn. Die Einrichtung werde von US-Militärpolizisten betrieben, die für die Leitung eines Gefängnisses „voll ausgebildet“ seien. Zurzeit werde niemand in dem Gefängnis festgehalten.

 Das Gegenteil ist nicht zu beweisen. Denn Bondsteel ist ein exterritoriales Gebiet im Kosovo.

 Die US-Militärs haben in Südosteuropa ein Netz von Stützpunkten: Noch immer bestehen die Militäranlagen in Tuzla in Ostbosnien, die von US-Geheimdienstleuten genutzt werden. Hier gibt es einen Militärflugplatz, zu dem keine zivile Behörde Zugang hat. Seit Mitte der 90er-Jahre wurden die US-Militärstützpunkte in Ungarn ausgebaut. Erst vor wenigen Tagen vereinbarte US-Außenministerin Rice den Aufbau neuer Stützpunkte in Rumänien. Auch in Albanien sind amerikanische Militärs präsent. ERICH RATHFELDER