Aus dem Alltag einer Klofrau: "Die Männer können nicht zielen"
In der Halbzeit bei Fußballübertragungen ist es am schlimmsten: eine Toilettenfrau über Pissoirverliebte und Klobürstenignoranz.
taz: Frau K., Sie arbeiten in einem Biergarten, in dem seit Jahren die Fußballweltmeisterschaften übertragen werden. Wie viele Leute kommen zu Ihnen aufs Klo, wenn der Laden voll ist?
Elfriede K.: Das habe ich nie gezählt. Würde ich gar nicht schaffen. Tausende. Die Männer gehen mindestens zehnmal auf Toilette. Manchmal habe ich das Gefühl, die gucken mehr ins Pissoir als auf die Leinwand.
Interessant.
Die fangen zum Teil schon vor der Übertragung an zu trinken. Wenn es einmal anfängt zu laufen, dann läuft es. Ein halber Liter Bier reicht schon. Ich denke mir das so: Das Bier stimuliert die Blase und dann muss es immer weitergehen. Das sagen alle: Wenn ich einmal anfange, is’ aus.
Wann ist am meisten Betrieb?
In der Halbzeit ist es natürlich richtig voll. Da stehen se dann in einer langen Schlange. Dann bin ich diejenige, die zur Eile treibt. Finanziell kommt da aber nicht viel rum. Die Leute sehen den Teller gar nicht, so voll ist es.
Wie lange braucht der Mann, wie lange die Frau?
Ich würde sagen, ein Mann hat es in eineinhalb Minuten geschafft. Die Frau braucht drei.
Mitte 60, heißt eigentlich anders. Die gebürtige Berlinerin arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Toilettenfrau.
Sie machen den Job schon viele Jahre. Haben sich die Sitten im Laufe der Zeit verändert?
Die Respektlosigkeit meiner Person gegenüber wird immer größer. Dieses Nichtgrüßen. Ich bin nicht empfindlich, aber die Männer kommen rein, Handy am Ohr, die andere Hand am Schlitz. Dann haben sie keine Zeit zum Spülen. Ich muss laufend nachspülen, sonst riecht es so nach Urin. Und zielen können die Männer auch nicht. Es geht immer was daneben, vor allem, wenn sie ein bisschen was intus haben. Wenn ich euch ’ne Badewanne hinstelle, schafft ihr das trotzdem nicht, sage ich manchmal.
Sie nehmen es mit Humor?
Auf alle Fälle. Manchmal unterhält man sich auch nett. Man muss immer ein freundliches Wort sagen. Ich mag es selbst nicht, wenn ich irgendwo aufs Klo gehe und da sitzt eine grimmige Klofrau. Aber ich werde oft mit der Arbeit verglichen. So’n bisschen abfällig immer: Das ist ja nur eine Klofrau. Wenn ich die Pissoirs saubermache, stellen sich manche einfach neben mich und pinkeln.
Nehmen Sie das so hin?
Geduscht hab ich schon, sag ich dann meistens. Das ist einfach respektlos. Aber was soll ich machen? Der Besen steht quer vor der Tür – egal, die steigen drüber. Da wird nicht gefragt: Darf ich? Nix. Die lieben ihre Pissoirs, die Männer. Wenn ich die sperre, weil ich sie saubermachen will, warten die lieber oder gehen an den Baum, statt die Klos zu benutzen. Zu Hause haben sie doch auch kein Pissoir, und spülen tun sie dort doch auch.
Was für einen Umgang würden Sie sich wünschen?
Eigentlich müssten sich die Leute doch sagen: Mensch, Respekt vor dieser Frau. Die wissen doch gar nicht, was ich in meinem Leben schon alles gemacht habe.
Empfinden Sie noch Ekel?
Ja, natürlich. Der Geruch. Ich habe eine gute Nase und bin sehr geruchsempfindlich. Das kriegt man nur weg, wenn man ewig saubermacht. Spülen hinterher. Spülen, Spülen.
Das klingt, als hätten Sie alle Hände voll zu tun.
Auf alle Fälle. Das ist harte körperliche Arbeit. Man muss immer schrubben. Wenn du nicht hinterher bist, ist ganz schnell Land unter.
Wie muss man sich das vorstellen, Land unter?
Das Papier ist auf die Erde geworfen, alles vollgepullert, auch bei den Frauen. Wenn ich nicht aufpasse, sind die Frauen auch sehr schmutzig.
Wie steht es mit dem Gebrauch der Klobürste?
Ach. Die nimmt ganz, ganz selten jemand. Dabei ist das eigentlich selbstverständlich. In meinen Augen ist das alles eine Frage von Erziehung und Kinderstube. Was Hänschen nicht gelernt hat, lernt Hans nimmermehr.
Wie finden Sie es, wenn Menschen im Freien pinkeln?
Furchtbar. Ein Toilettengang ist was Intimes. Noch nicht mal meinen Ehemann habe ich reingelassen, wenn ich auf Toilette war. Baden, Duschen, das ist was anderes. Dazu kommt natürlich die Verschmutzung.
Haben Sie auch mal im Freien gepinkelt?
Natürlich. Unterwegs auf Reisen – oder meistens nach der Diskothek, als ich noch jünger war. Wenn man ein Bierchen getrunken hatte, dann ging es irgendwann einfach nicht mehr, also ab in die Büsche rein. Einer hat dann aufgepasst, der andere hat gepullert.
Dieses Interview ist Teil des Themenschwerpunkts in der aktuellen Wochenendausgabe der taz.berlin. In Ihrem Briefkasten und am Kiosk
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