Bereit für den Hype

Die WM-Gruppenauslosung von Leipzig hat den Freunden schon einmal gezeigt, welcher WM-Overkill sie nächsten Sommer erwartet

AUS LEIPZIG FRANK KETTERER

Am besten fängt man wohl mit dem Ball an, schließlich soll der ja im Mittelpunkt stehen beim großen Fest im nächsten Sommer. Der Ball also ist schwarz-weiß-gold, wurde eigens für das große Fest entwickelt und wird ab sofort den etwas gewöhnungsbedürftigen Namen „Teamgeist“ tragen. Aber das allein macht ihn noch keineswegs zu einem rechten Wunderwerk der Ballmachertechnik, sondern der Umstand, dass „Teamgeist“ aus 14 statt bisher 32 Teilen zusammengefügt wird. Deswegen besitzt er eine glattere Außenhaut und kann noch präziser gepasst und geschossen werden. Schließlich hat ihn der Hersteller über Monate hinweg im Geheimen entwickelt und getestet, nun ist er von seinem neuen Ball so begeistert, dass er den Menschen sogar „eine größere Chance auf Tore“ verspricht.

Der neue Ball, das kann man aus alldem mühelos herauslesen, ist also der beste WM-Ball, den es je gab. Und weil das so ist, kommt irgendwann am Freitagabend Michael Ballack, der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, auf die gigantisch große Bühne in Halle 1 der Leipziger Messe, lässt den Teamgeist ein bisschen auf seinem Fuß tanzen und sagt, dass Adidas da wirklich ein ganz außergewöhnlicher Ball gelungen ist. Weil all das während der Auslosungsgala zur Fußball-WM geschieht und die von schätzungsweise 500 Millionen Menschen in fast 150 Ländern live am TV gesehen wird, ist das für Adidas ein ziemlich großer Moment.

Es ist aber auch der Augenblick, in dem einem Zweifel kommen, nicht die ersten, aber stärker denn je. Vielleicht geht es bei dem ganzen Fest im Sommer ja gar nicht um den Ball, sondern um ganz andere Dinge, zum Beispiel um Adidas und Coca-Cola, um McDonald’s und MasterCard, also: um einen riesigen Reibach. Bis zu 45 Millionen Euro zahlt jeder der 15 Fifa-Hauptsponsoren, um mit Emblem und Slogan auf der Weltbühne des Fußballs vertreten zu sein. Ob Deutschland dort in einer Gruppe mit Costa Rica, Polen und Ecuador spielt und selbst Jürgen Klinsmann, der Bundestrainer, findet, dass es „viel schlimmer“ hätte kommen können („Man hat es gut mit uns gemeint“), interessiert nun wirklich nur am Rande. Fußball ist längst kein Spiel mehr, sondern ein Wirtschaftsfaktor. Es geht bei der WM um Millionen, ach was, um Milliarden. Und Deutschland hat sich ganz fest vorgenommen, die größte und beste WM aller Zeiten auszurichten.

In den Tagen von Leipzig hat man das erstmals leibhaftig erfahren können, der Donnerstag war ein ganz besonders guter Tag dafür: Am Nachmittag wurde im Zentralstadion der größte rote Teppich der Welt ausgerollt, am Abend aus über 10.000 Menschen eine Kette gebildet, die „das größte Nationalteam der Welt“ symbolisieren sollte. Natürlich, Dinge wie diese sind Nebensächlichkeiten. Aber es ist ja auch erst Dezember – und bis am 9. Juni im Eröffnungsspiel in München Deutschland auf Costa Rica trifft, wird das so weitergehen. Deutschland wird ein Land der Superlative werden, es wird den größten Hype der Welt produzieren – bis hin zum Overkill. Man wird sich dem nicht verschließen können, ob man will oder nicht, dafür werden die anderen Kollegen schon sorgen.

Auch Franz Beckenbauer ist am Freitagabend in Leipzig auf die Bühne gekommen, logisch. Beckenbauer ist ja der Vater der WM – und deshalb ist er auch irgendwie der Vater des ganzen Hypes. Nun steht er da und sagt: „Deutschland ist ein kleines Land.“ Das soll Deutschland bei seinen Freunden, die ja zu Gast sind im nächsten Sommer, sympathisch machen, schließlich kommt es nicht gut an, wenn man immer nur rumprotzt. Dabei hat Beckenbauer bestimmt mal wieder genau das Gegenteil von dem gemeint, was er gerade gesagt hat: Deutschland ist ein riesengroßes Land, es hat schließlich die WM. Ball und Spiel sind da bestenfalls noch schmückendes Beiwerk.