Ein Westpaket für Merkel

Während die Kanzlerin mit einem Schokomonstrum beschenkt wird, beschert Baden-Württembergs CDU ihrem Chef Günther Oettinger fast eine Schlappe. Seine SPD-Konkurrentin Ute Vogt hat auf ihrem Wahlkampf-Parteitag weniger Probleme

AUS KEHL UND STUTTGART HEIDE PLATEN
UND GEORG LÖWISCH

Angela Merkel schaut auf das Monster. Ein Kanzleramt aus weißer und brauner Schokolade, einen ganzen Quadratmeter groß. Sie sagt erst mal nichts. Vielleicht denkt sie gerade an die Westpakete, mit denen die Bundesbürger auch immer ein bisschen zeigen wollten, wie gut sie es haben. „Ich bin überwältigt“, sagt sie. „Wir wünschen dir süße Stunden und Jahre im Kanzleramt“, sagt die Westverwandtschaft in Person von Günther Oettinger. 350 Delegierte klatschen, dass die Halle bebt.

Es ist Wahlkampf. Deutschland hat zwar gerade erst eine neue Regierung, aber im Frühjahr wird gewählt in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Die Wahl in Baden-Württemberg mit seinen fast elf Millionen Einwohnern wird die wichtigste sein. Deshalb ist der Landesparteitag der CDU in Stuttgart für Angela Merkel ein Pflichttermin.

Dass sie reich sind, versichert Merkel der Westverwandtschaft. Sie sagt ihnen, wie spitze Baden-Württemberg ist und dass das so bleiben muss. Ein wenig auf den Arm nimmt sie sie nur mit dem Saarland, wo das Wirtschaftswachstum höher ist. „Also, da müssen Sie sich anstrengen.“

Merkel wirkt gelöst und souverän. Sie hat es ja schon geschafft. Sie ist Kanzlerin. Oettinger ist zwar Ministerpräsident, aber nur, weil er in der CDU vor einem Jahr Erwin Teufel verdrängt hat. Im März muss er zeigen, dass er eine Wahl gewinnen kann. Er steht unter Spannung. Bei seiner Rede vibriert das Pult. Wie Schüsse klingen seine Worte: „Wir sind! Hoch! Motiviert!“

Die Delegierten feiern ihn. Aber für einen Moment steht alles auf der Kippe. Es geht um eine Satzungsänderung. Oettinger will, dass er als Landesvorsitzender nicht mehr zwei, sondern drei Vizes hat. Stefan Mappus, Chef der Landtagsfraktion, wollte einer davon werden, aber Oettinger mochte die beiden bisherigen Stellvertreter behalten. Eine dritte Stelle muss her.

Eigentlich keine große Sache, aber hier zeigt sich für einen Moment der Riss, den der Sturz von Teufel der CDU gebracht hat. Für die Satzungsänderung ist eine Dreiviertelmehrheit nötig. Als der Tagungsleiter, ein Vertrauter Oettingers, nach den Neinstimmen fragt, gehen so viele Arme hoch, dass es schwer ist, innerhalb eines Augenblicks das Ergebnis zu erkennen. „Mit Dreiviertelmehrheit angenommen“, ruft der Tagungsleiter jedoch. Zwei Delegierte protestieren. Die Satzungs-Abstimmung wird wiederholt. Oettingers scharfe Stimme klingt seltsam weich. „Lassen Sie mich kurz vor Weihnachten sagen: Wenn Sie mir diese Bitte erfüllen, habe Sie bei mir einen frei.“

Siegfried Kauder tritt ans Mikrofon, der kleine Bruder des Unions-Chefs im Bundestag. „Die Satzung ist so etwas wie das Grundgesetz für Deutschland“, donnert er und es ist der Moment, da Oettinger vor einer Niederlage steht. Am Ende kommt die Änderung durch.

In Kehl am Rhein beim Parteitag der Südwest-SPD sind die Delegierten braver zu ihrer Spitzenkandidatin. Dabei hatten sich noch vor ein paar Wochen einige Genossen über Ute Vogt aufgeregt, weil sie zum Rücktritt des Parteichefs Franz Müntefering beigetragen hatte. Vogt selbst erwähnte das nur in Nebensätzen. Manchmal seien manche Schritte schwer zu vermitteln, „auch meine“. Aber nach „kräftigem Streit“ sei es wichtig, am Ende „gemeinsam stark“ aufzutreten. Am Ende hat sie sogar Terrain gutgemacht. 93,2 Prozent der über 300 Delegierten bestätigen sie als Landesvorsitzende.

In ihrer Rede setzt sie Schwerpunkte für den Wahlkampf: Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Das Land werde „unter seinen Möglichkeiten regiert“.

Das haben Oettinger und Vogt gemeinsam: Sie müssen versprechen, dass sie schrecklich viel verbessern wollen. Aber sie müssen vorsichtig sein, wenn sie erklären, wo was verbessert werden muss: Oettinger, weil er ja mit der Leistung der CDU werben möchte. Vogt, weil ihr sonst vorgeworfen würde, sie rede das Land schlecht.

Vogt setzt deshalb in Kehl auch auf ihre Person: Oettinger sei „ein kalter Modernisierer“, der Menschen nur „als Rädchen im Getriebe“ sehe, die Solidargemeinschaft zwischen Alten und Jungen aufgekündigt habe. Sein Vorschlag, älteren Arbeitnehmern weniger Geld zu zahlen, sei kein „Ausrutscher“ gewesen, sondern der Versuch, sich „auf Kosten derer, die das Land aufgebaut haben“, zu profilieren.

Ute Vogt redet kämpferisch und laut auf diesem Parteitag. Auch sie steht unter Strom, als sei der Wahlkampf schon in der Endphase. Ihr Stimme klingt militärisch scharf. Ein wenig wie die von Günther Oettinger.