Gewalt: Trauer unter dem Fernsehturm
Nach Bluttat am Alex hat die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen. Nun wird wieder über die Sicherheit rund um den Platz diskutiert.
Diesmal war die Polizei schnell. Keine 24 Stunden nach der tödlichen Messerattacke auf einen 30-Jährigen nahe des Alexanderplatzes konnte sie am Montag einen Fahndungserfolg vermelden: Ermittlungen hätten auf die Spur eines 18-Jährigen geführt, der bereits polizeilich bekannt sei, hieß es. Der Tatverdächtige ist damit deutlich jünger als in dem Fahndungsaufruf angenommen. Zeugen hatten den Mann mit Nasenring und Lippen-Piercings auf 20 bis 25 Jahre geschätzt.
Die Festnahme erfolgte am Montag gegen 13.30 Uhr in Friedrichshain. Zu der Tat war es am Sonntag gegen 16 Uhr gekommen. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei war das spätere Opfer zusammen mit einem anderen Mann und zwei Frauen nach dem Besuch eines Clubs auf der Straße unterwegs. Auf dem Gehweg der Rosa-Luxemburg-Straße Ecke Karl-Liebknecht-Straße in Mitte seien sie auf eine Gruppe von Leuten gestoßen, die zuvor möglicherweise in demselben Club gewesen seien, teilte die Polizei mit. Ein Mann aus dieser Gruppierung habe eine der Frauen aus dem Quartett angesprochen, worauf es zu einem kurzen Wortgefecht mit ihm und dem späteren Opfer gekommen sei. Kurz darauf habe der gepiercte Mann auf den 30-Jährigen eingestochen. Das Opfer starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Am Tatort standen am Montag Grableuchten und Blumen. An einem grauen Betonpfeiler klebt das Bild des Getöteten – ein junger Mann mit einer Katze im Arm. „Warum?“ und „Du warst noch so jung“ hat jemand an den Rand des Fotos geschrieben. Zum Alexanderplatz auf der anderen Straßenseite ist es von den notdürftig mit Sand überdeckten Blutflecken nicht weit.
Der Platz ist in den letzten Jahren wiederholt wegen Gewaltvorfällen in die Schlagzeilen geraten. Insbesondere der Fall des 20-jährigen Jonny K. hatte Aufsehen erregt und Betroffenheit ausgelöst. Der Mann war von einer Gruppe junger Männer so mit Schlägen und Tritten attackiert worden, dass er durch eine Hirnblutung starb. Die tödliche Prügelattacke hatte eine große Debatte über die Sicherheit auf dem Alexanderplatz in den Medien entfacht.
Dem Platz haftet seitdem das Image an, ein besonderer Schwerpunkt der Gewalt zu sein – auch wenn die Kriminaltätsstatistik das nicht hergibt. Der Alexanderplatz unterscheide sich nicht von anderen Orten dieser Größenordnung, an denen täglich Tausende verkehrten, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Subjektiv werde das aber anders empfunden. Um den Menschen ein größeres Gefühl von Sicherheit zu geben, hat die Polizei die Präsenz nach dem Tod von Jonny K. auf dem Platz erhöht. „Es wäre aber unrealistisch anzunehmen, dass sich damit jede Gewalttat verhindern ließe“, so Redlich. Die Polizei könne nicht alles alleine regeln, was am Alexanderplatz an Alkohol, Vernachlässigung und sozialen Spannungen aufeinanderpralle, teilte Innensenator Frank Henkel (CDU) in einer Presseerklärung mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen