Berlin Music Week: Arbeiten am Rhythmus
Die erste Africa Music Convention in Berlin präsentiert deutsch-afrikanische Musikprojekte. Das Programm reicht von traditionell bis experimentell.
Die Gebrüder Andi und Hannes Teichmann sind schon einige Zeit in Afrika unterwegs. Eines ihrer Projekte führte die beiden Berliner Technoproduzenten 2009 nach Kenia, wo sie mit Musikern in Nairobi zusammenarbeiteten. Vergangenes Jahr fuhren sie nach Simbabwe.
Jetzt haben sie das Musikprogramm der ersten Africa Music Convention kuratiert, die heute und morgen als Teil der Berlin Music Week abgehalten wird. Die Gebrüder Teichmann werden am Freitag mit dem Rapper Psyko Tektonic aus Simbabwe im Badehaus Szimpla auftreten. Heute Abend präsentiert der Schlagzeuger Max Weissenfeldt im Astra Kulturhaus sein Afrobeat-Projekt mit dem ghanaischen Sänger Guy One, für das Weissenfeldt wiederholt nach Afrika reiste.
Auch Bernd Friedmann alias Burnt Friedman besuchte im vergangenen Jahr mehrere afrikanische Metropolen. Seine Tour führte ihn von Lagos über Nairobi und Kampala nach Johannesburg. In jeder der Städte traf er auf andere Musiker, mit denen er Konzerte gab: „Für mich war das hochinteressant. Erstens war ich noch nie in Afrika, und zweitens gibt es ja Vorurteile über die Trommelkünste auf dem Kontinent. So konnte ich testen, wie die Lage wirklich ist.“
Friedmann, der sich in seinem Projekt Friedman & Liebezeit mit dem Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit auf „krumme Rhythmen“ spezialisiert hat, wollte insbesondere herausfinden, wie seine Rhythmen in anderen Regionen verstanden werden. Er kam zu dem Ergebnis: „Jede Region hat einen spezifischen Groove, spezifische Rhythmen, die dort gespielt werden. Und wenn man diese Logik, diese bestimmten Bewegungsmuster verlässt und eine andere Formensprache oder andere Rhythmen mit einer anderen Formzahl nimmt, stößt man überall auf die gleichen Probleme wie in Europa.“
Burnt Friedman & Daniel Dodd-Ellis: "Cease to Matter" (Nonplace);
Africa Music Convention, 4. + 5. September, Berlin
„Jede Region hat einen spezifischen Groove“
Konkret heißt das: Die meisten Musiker hatten Schwierigkeiten, sich auf Friedmanns Rhythmen einzulassen. Anders der Schlagzeuger Tlale Makhese aus Johannesburg, mit dem Friedmann am Freitag auftritt: Makhese zeigte, ebenso wie sein Trommelpartner in Uganda, die nötige Offenheit und Flexibilität, um so untypische Konstruktionen wie einen 11er-Rhythmus binnen kürzester Zeit zu beherrschen.
Friedmanns Ansatz ist eigenwillig. Gemeinsam mit Liebezeit hat er eine Art „ethnische“ Trance-Musik erarbeitet, die sich nicht verorten lässt. „Nonplace“ ist Friedmanns Bezeichnung für diese Musik, die keinerlei bekannte Idiome bedient und sich daher nicht „verorten“ lässt. Das Denken in Territorien und Genres lehnt Friedmann ab. Ihn interessieren die Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Musikern und Stilen, er sucht nach Möglichkeiten, neue Verknüpfungen herzustellen, statt seine eigenen Vorstellungen und Prägungen in andere Musikstile einfach hineinzumischen.
Seine Reiseeindrücke hat Friedmann auf seinem aktuellen Album „Cease to Matter“ in Texten verarbeitet, die der Sänger Daniel Dodd-Ellis vorträgt. Vor allem Lagos, seine erste Station, war ein Kulturschock für ihn: „Man hat den Eindruck, es fällt alles auseinander. Die Stadt ist industrialisiert und gleichzeitig schon wieder am Zusammenbrechen. Die Entwicklung, auch die technische, ist so weit vorangeschritten, dass man Leute mit drei Smartphones gleichzeitig sieht. Die sind weit verrückter nach Kommunikation, als man es hier so kennt.“ Dies inspirierte Friedmann zu neuer Musik. Mit krummen Rhythmen, versteht sich.
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