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Wege aus der ZinsenfalleDas Übel der Altschulden

Bremen kämpft in Bund-Länder-Verhandlungen ums finanzielle Überleben – das auch bei aus eigener Kraft unmöglich scheint.

Für einen Altschulden-Fonds tun's auch mal abgenagte Knochen. Bild: privat

BREMEN taz | Wie entkommt Bremen der Schuldenfalle, die den Stadtstaat zwingt, einen immer größeren Teil seiner Einnahmen als Zinsdienst an Banken zu überweisen? Hinter den Kulissen arbeiten die Bremer Vertreter bei den Bund/Länder-Verhandlungen um eine Neuordnung der Finanzbeziehungen intensiv am finanziellen Überleben des kleinsten Bundeslandes. Denn ab 2019 gilt nicht nur die Schuldenbremse, die verbietet, neue Kredite aufzunehmen. Zum gleichen Zeitpunkt läuft der Solidarpakt II aus. Und das bedeutet: Die rund 18 Milliarden Euro, die bislang für den Aufbau Ost deklariert waren, könnten neu verteilt werden.

Die beiden Bremer Finanz-Staatsräte Henning Lühr und Dietmar Strehl geben sich derzeit in Berlin die Klinke in die Hand, um in jedweder Verhandlungsrunde das Thema Altschulden auf der Agenda zu halten. Denn das Ende der „Soli“-Zweckbindung erscheint vielen als die einzig realistische Chance, aus der Zins-Spirale auszubrechen. Allerdings gibt es aus Sicht anderer Bundesländer ganz andere Begehrlichkeiten, die sich auf den Soli richten. Derzeit sinkt die durchschnittliche Verschuldung der Länder. In Bremen allerdings ist die Zinslast pro Einwohner deutlich über dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

Im Haushalts- und Finanzausschuss der Bürgerschaft referierte Andre Heinemann, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Bremen, nun über alternative Entschuldungsmodelle für Bremen – und mögliche Vorbehalte anderer Bundesländer gegen einen Altschuldenfonds beziehungsweise Zinsbeihilfen. Wäre eine Hilfe bei den Altschulden nicht geradezu „eine Einladung für moralisches Fehlverhalten“? Also zur Fortsetzung eines Ausgabeverhaltens, das die eigenen finanziellen Möglichkeiten bei Weitem übersteigt? Heinemann entkräftet diesen möglichen Einwand durch Verweis auf die Entwicklung der öffentlichen konsumtiven Ausgaben in den Jahren zwischen 2001 bis 2011: Die mit Abstand geringsten Zuwächse weisen Berlin und Bremen auf.

Mit 7,7 beziehungsweise 10,8 Prozent liegen sie weit unter den Spitzenreitern Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, die ihre Ausgaben in diesen zehn Jahren um 31 beziehungsweise 37,5 Prozent steigerten.

Heinemann, der auch mal Landesvorsitzender der Bremer Grünen war, hat schon vor einiger Zeit Strauß als Kronzeugen für seine Forderung nach einer föderalen Lösung des Schuldenproblems entdeckt, Franz-Josef Strauß. Der hat in der Tat Dinge formuliert, die heute Balsam für die Seelen der höchstverschuldeten Bundesländer bedeuten. Es sei beschämend, sagte er, wenn „von armen und reichen Ländern gesprochen“ werde. Schließlich zahlten die Bürger überall die gleichen Steuern.

Da, 1969, war Strauß Bundesfinanzminister und im Bundesrat scheiterte nur äußerst knapp eine von ihm forcierte Regelung, die Ertragssteuern wie die Einkommens- und die Körperschaftssteuer nach Einwohnerzahl zu verteilen statt nach örtlichem Aufkommen.

Die heutigen Bayernfürsten, die in Karlsruhe gegen den Länderfinanzausgleich klagen, ignorieren ihren ansonsten hochverehrten Übervater in diesem Fall geflissentlich. Was wohl schlicht daran liegt, dass Bayern heute, in Gegensatz zu Strauß’ Zeiten, Geberland ist.

Olaf Scholz, Bürgermeister von Hamburg, das fast stets Geberland war, hat dennoch den Vorschlag gemacht, die Altschulden sämtlicher Bundesländer von einem Fonds mit 50-jähriger Laufzeit übernehmen zu lassen. Derzeit deutet sich jedoch eher ein deutlich unambitionierterer Ansatz an, der nur die höchstverschuldeten Länder wie Bremen und das Saarland beträfe.

Die dritte Möglichkeit, dass lediglich Zinsbeihilfen gewährt würden, sei in diesem Szenario „der sehr viel schlechtere Weg“, findet der grüne Haushaltspolitiker Hermann Kuhn. Denn dann trage Bremen alle Zinsrisiken allein. Zur Erinnerung: Bremens Schuldenlast ist mit gut 20 Milliarden Euro sechseinhalb Mal so groß wie die Summe seiner jährlichen Steuereinnahmen.

Um eine umfassende Fonds-Lösung durchzusetzen, müssten wohl die Kommunen mit ins Boot geholt werden – genauer: deren Schulden. Die entscheidende strategische Frage aus Bremer Sicht könnte also sein, ob auch die Altschulden der Städte und Gemeinden in einem gemeinsamen Fonds aufgefangen würden. Mit unter 150 Milliarden Euro haben sie nicht einmal ein Viertel des Umfangs, den die Länder angehäuft haben – quantitativ würde die Einbeziehung der kommunalen Schulden also keine ganz entscheidende Rolle spielen. Qualitativ hingegen schon: Gewinnt man die Kommunen als strategischen Partner zugunsten einer umfassenden Altschulden-Regelung, könnte die Phalanx der Gegner aufgeweicht werden. Die Kommunen etwa in Hessen, das auf Landesebene als Bayerns Klagepartner in Karlsruhe auftritt, gehören zu den höchstverschuldeten der Republik.

Aus Sicht von Klaus-Rainer Rupp, Haushaltspolitiker der Linkspartei, sind solche Überlegungen zwar nicht verkehrt – bleiben aber Makulatur, wenn sich nichts in der Steuerpolitik ändert: „Wir brauchen unbedingt eine Vermögensabgabe“, fordert er beharrlich gegenüber seinen KollegInnen im Haushalts- und Finanzausschuss – „auch wenn Sie bei diesem Wort sofort zum Knoblauch greifen und ein Kreuz vor sich halten.“

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