Getanzte Toleranz

FESTIVAL Mit Rammstein tolerant sein: Zum elften Mal locken die Movimentos Festwochen mit einem spektakulären Programm in Volkswagens Wolfsburger „Kommunikationsplattform“ Autostadt

En passant wird auch eine bestimmte Sicht auf das Unternehmen kommuniziert

VON ROBERT MATTHIES

Die Worte sind mit Bedacht gewählt. Gern spricht Maria Schneider vom Tanz als international verständliches Medium, als Ausdrucksform, die ohne Sprache auskommt und keinerlei Übersetzung braucht. Am liebsten aber spricht sie vom Tanz als „schönste Form der menschlichen Mobilität“. Denn seit 2002 ist die promovierte Sprachtheoretikerin und Kommunikationsdesignerin „Kreativdirektorin“ von Volkswagens „Kommunikationsplattform“ Autostadt in Wolfsburg, die für den Weltkonzern seit 13 Jahren als „Schnittstelle zwischen Unternehmen und Gesellschaft“ fungieren soll. Und deren Motto lautet eben: „Menschen, Autos und was sie bewegt“ – Mobilität.

Seit 2003 ist Schneider gemeinsam mit dem Kulturmanager Bernd Kauffmann als künstlerische Leiterin der „Movimentos Festwochen“ dafür verantwortlich, dass der internationale Kulturbetrieb seine Aufmerksamkeit für einen Monat auf den Themenpark des Konzerns richtet. Auf ein üppiges Finanzkissen gebettet sind die Festwochen der Autostadt seit Jahren der kulturelle Höhepunkt in der Region und haben sich vom kleinen Tanztheaterfestival in der Provinz längst zu einer renommierten Plattform für modernen Tanz gemausert. Rund 30.000 Besucher_innen lockt Movimentos jedes Jahr in die Stadt.

Weiterhin vor allem mit fünf bis sieben hochkarätigen internationalen Tanzproduktionen. Seit 2006 umfasst das Programm aber auch andere „bewegende Kulturformen“ wie Konzerte, Gespräche, Vorträge, Lesungen, Theater und Workshops rund um ein weit gefasstes Leitthema – mit dem sich dann ganz en passant auch eine bestimmte Sicht auf das Unternehmen kommunizieren lässt.

„Toleranz“ heißt das Motto dieses Jahr, schließlich sei gegenseitiger Respekt ohnehin „ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur“, der bei Volkswagen „wie selbstverständlich zum Alltag“ gehöre: ein „Miteinander verschiedenster Kulturen“, kein Platz sei beim Weltkonzern für „Diskriminierung oder Ausländerfeindlichkeit“.

Spektakulär ist das Programm auch in diesem Jahr. Über 50 Veranstaltungen präsentiert das Festival bis Anfang Mai in Wolfsburg, Braunschweig und Königslutter. Die meisten davon sind längst ausverkauft – nahezu 100 Prozent Auslastung werden Maria Schneider und Bernd Kauffmann auch diesmal vermelden können.

Eröffnet werden die Festwochen wie schon im letzten Jahr mit einer selbst entwickelten Tanzproduktion der Movimentos Akademie. Sechs Monate lang haben deren Nachwuchstänzer_innen an „SchwarzWeißGrau“ gearbeitet. Zu Gast sind dann ab Freitag nächster Woche mit der israelischen Kibbutz Contemporary Dance Company, der afrikanischen Compagnie Jant-Bi Jigeen, der São Paulo Companhia de Dança, dem irischen Fabulous Beast Dance Theatre und dem spanischen Choreografen José Montalvo fünf renommierte internationale Tanz-Compagnien mit aktuellen Arbeiten.

In Matineen und Soireen sind unter anderem der Organist Daniel Beilschmidt, das Leipziger Vokalensemble Amacord Ensemble, die Pianistin Annika Treutler und das Zürcher Kammerorchester zu hören. Auch der Jazz ist mit dem norwegischen Saxophonisten Marius Neset, der spanischen Sängerin und Komponistin Buika, dem israelischen Bassisten Avishai Cohen, der Beatboxerin Butterscotch und der südafrikanischen Jazzlegende Abdullah Ibrahim wieder prominent vertreten.

Am schnellsten ausverkauft waren aber zwei andere Konzerte: Zu Gast sind im Kraftwerk der Autostadt Anfang Mai die nicht unumstrittenen Berliner Brachial-Tanzmetaller Rammstein. Denn die – man lernt ja nie aus – eigneten sich „wie kaum eine andere Band, den Dialog und die aktive ‚Auseinandersetzung‘ mit dem Begriff ‚Toleranz‘ anzustoßen.“

■ Wolfsburg: 2. 4. bis 5. 5., www.movimentos.de