Baumwolle mit Webfehler

Der WTO-Gipfel 2003 scheiterte am Subventionsstreit. Diesmal sieht es nicht besser aus. Afrikas Bauern vor dem Ruin

VON HAKEEM JIMO

Ihre Boubous, die traditionellen bunten und prachtvoll wallenden Gewänder Westafrikas, hatten die Beniner bewusst nicht angelegt. Sie trugen ihre armselige, zerissene Arbeitskleidung – obwohl es in Afrika sonst üblich ist, seinen Besuchern höflich und in der besten verfügbaren Kleidung gegenüberzutreten. Der Verstoß gegen die Kleiderordnung war ein eindeutiger Hinweis auf die desaströse wirtschaftliche Situation der Baumwollbauern in Benin. Und Heidemarie Wieczorek-Zeul machte ein erkennbar betretenes Gesicht.

Vor zwei Jahren besuchte die Entwicklungshilfeministerin das westafrikanische Land, unter anderem auch um sich über die Situation der Baumwollbauern zu informieren. „Der Anbau von Baumwolle macht uns mittlerweile noch ärmer, als wir schon sind. Viele haben sich bereits von der Produktion ganz abgewandt. Es macht keinen Sinn mehr“, sagte ihr Zoumarou Guini, Bauer und Generalsekretär des Verbandes „Association Interprofessionelle du Coton“. Zwar trägt nach wie vor die Baumwolle den Hauptanteil seines Erwerbs. Doch was jahrelang einigermaßen funktionierte, ist nun in Frage gestellt. „Jüngere haben der Landwirtschaft den Rücken gekehrt und wollen stattdessen das Land verlassen. Obwohl ich schon Anfang fünfzig bin, würde ich auch lieber den Baumwollanbau sein lassen und nach Amerika oder Europa gehen“, sagte Guini. Das wirke sich längst als Kettenreaktion aus. Zwei Baumwollfabriken hätten bereits ihre Arbeiter entlassen.

Der Baumwollanbau ist eine der wichtigsten Einkommensquellen für mehrere der ärmsten Länder Afrikas – Benin, Burkina Faso, Kamerun, Mali, Tschad. Über 10 Millionen Menschen leben ausschließlich von dem „weißen Gold“. Westafrikas Baumwolle müsste ein Exportschlager sein: Von den Produktionskosten her ist sie die billigste der Welt. Doch die billigste Baumwolle auf dem Weltmarkt liefern die USA, wo die Produktionskosten dreimal höher sind als in Afrika – weil die US-Regierung die 20.000 Baumwollbauern ihres Landes mit Milliardensubventionen aufpäppelt. Zuweilen sind die Subventionen höher als der Verkaufswert des Produkts. Nach Schätzungen des britischen Hilfswerks Oxfam verliert Afrika dadurch jährlich 440 Millionen Dollar.

Entsprechend dramatisch ist die Entwicklung des Weltmarktpreises: Seit 1997 sank er um fast 40 Prozent, die Hälfte davon nach Weltbankschätzung wegen der Subventionen in den USA und auch in der EU, die mittlerweile fast 5 Milliarden Dollar jährlich betragen. Immer mehr Bauern sind dort auf den Textilrohstoff umgestiegen. In der EU hat sich die Baumwollproduktion seit 1990 verdoppelt.

Am Baumwollstreit scheiterte die WTO-Konferenz von Cancún 2003. Und seitdem hätten die langsam mahlenden Mühlen internationaler Handelsabsprachen neue Signale setzen können. Immerhin entschied ein WTO-Schiedsgericht, die US-Subventionen seien illegal.

Aber darauf, dass sich etwas real ändert, müssen Bauern wie Zoumarou Guini noch Jahre warten. Zeit, die sie nicht haben. In Benin hat letzte Woche die neue Erntesaison für Baumwolle begonnen. Nach einer Rekordernte von 428.000 Tonnen letztes Jahr – weit über den Prognosen – hat der Staat nicht genug Geld, um den Bauern die staatlich festgelegten Mindestpreise zu zahlen. Diese sind daher dieses Jahr von 0,30 Euro pro Kilo auf 0,28 gesenkt worden. Da zugleich die Preise für Benzin und Saatgut stark steigen, treibt das die Bauern in den Ruin. In ganz Westafrika werden nach Prognosen der französischen Unternehmensgruppe Dagris, die einen Großteil des afrikanischen Produkts abnimmt, die Einnahmen der Baumwollbauern pro Hektar in der Erntesaison 2005/06 um ein Drittel sinken.

In Cancún wollten die afrikanischen Staaten mit Unterstützung der EU erreichen, dass die WTO die Baumwolle als „spezifisches Produkt“ für West- und Zentralafrika anerkennt und somit „bestimmte Schutzmaßnahmen“ in Kraft treten. Zudem forderten die Minister aus Tschad, Benin, Burkina Faso und Mali die Abschaffung aller Produktions- und Exportsubventionen. Diese Forderung haben sie jetzt bekräftigt.

Jedoch verheißen die Vorab-Gespräche nichts Gutes. Auch Zoumarou Guini erwartet nicht viel. „Wir Baumwollbauern sehen das alles sehr pessimistisch. Unsere Regierungen scheinen zu schwach, etwas ändern zu können. Und die Amerikaner und Europäer spielen Pingpong: Wenn du die Subventionen zuerst streichst, dann folgen wir. Aber seit Jahren passiert nichts.“