Nicht allgemein von Toleranz faseln

HIPHOP Mit den Schubladen hat es Sookee nicht so und gibt lieber ihr Wissen weiter – in Seminaren und auf der Bühne stellt sich die Berliner Rapperin mit queerfeministischen Positionen gegen den Sexismus im Geschäft

„Ich hab keinen Bock, moralisch zu argumentieren, ich hab Bock, politisch zu argumentieren“

SOOKEE, RAPPERIN

VON HENGAME YAGHOOBIFARAH

Die dunklen Haare sind an den Seiten abrasiert, die lila Kleidung leuchtet in der Farbe der Frauenbewegung und jeden Finger ziert ein tätowierter Buchstabe. „Wordnerd“ ist da schwarz auf Haut zu lesen. So bezeichnet sie sich in einem ihrer Songs mit diesem Titel nämlich selbst: als eine den Wörtern Verfallene.

In eine Schublade hat die Berlinerin Sookee nie gepasst, bereits in der Schule nicht. „Ich glaube, Leute fanden mich tendenziell irgendwie komisch“, sagt die Rapperin. „Aber es ist nicht so, dass mich strukturell Leute fertig gemacht haben. Ich war immer so ein bisschen raus und ein bisschen komisch. Ich hatte eine große Klappe und irgendwie war ich keine, auf die sich Leute bezogen haben.“

Nach der Schule an der Universität war sie hingegen nicht anders genug, während ihres Studiums in Gender Studies und Germanistischer Linguistik in Berlin. „Auch innerhalb von emanzipatorischen Zusammenhängen wird kategorisiert und hierarchisiert entlang von Wissen, entlang von ‚Du siehst aus, als gehörst du zu uns, oder nicht‘. Das war auf jeden Fall eine zentrale Erfahrung.“

Texte wie Kampfansagen

Wenn es darum geht, der normativen Mehrheit den Mittelfinger zu zeigen, beweist Sookee Verve: Sie macht queerfeministischen Rap in einer Branche, in der Sexismus und Homophobie Überhand haben. Mit Texten wie eine Kampfansage. Im ersten Track ihres aktuellen Albums „Bitches, Butches, Dykes and Divas“ heißt es: „Wir formen die Sprache, wir formen die Werte / wir formen die Kämpfe und die Form des Begehrens / Ich hass’ keine Männer und ich trink’ mir keinen Mut an / Wir nehmen zurück, was euch niemals zustand.“ Von Anglizismen ist ihre Sprache geprägt, von Umgangssprache und auch von einem wissenschaftlichen Vokabular mit vielen -ismen. Ein subkultureller mischt sich mit einem akademischen Hintergrund.

Die ZeitCampus listete Sookee 2010 unter den 100 wichtigsten deutschen Studierenden auf, heute vermittelt sie jungen Menschen den Input aus Uni-Tagen. Eine Zeit lang unterrichtete sie an einer reformpädagogischen Grundschule in Kreuzberg Deutsch, mittlerweile lebt sie von der Musik und politischer Bildungsarbeit. In Workshops, Seminaren und Vorträgen gibt sie ihr Know-how an Schulen, Universitäten und in Jugendzentren weiter. Anders als andere RapperInnen bringt sie dabei Jugendlichen nicht nur das eigenständige Texten bei, sondern nimmt auch politische und gesellschaftliche Inhalte ins Auge. Ihr ist es wichtig, die Beziehung zwischen Subkultur und Politik „ernst zu nehmen und nicht allgemein von Toleranz zu faseln, sondern tatsächlich zu gucken, was Begriffe wie Mehrheitsgesellschaft, staatliche Autorität, Macht oder Gewalt bedeuten“.

Sookee schätzt die im HipHop geläufige „Each one teach one“-Kultur, in der es gilt, Wissen weiterzugeben. „Das ist schön. Ich finde es aber noch schöner, wenn es obendrauf tatsächlich eine ernstzunehmende, emanzipatorische Bildungsarbeit als Selbstverständnis gibt“, sagt die 29-Jährige.

Ihre Gigs verbindet sie mit Vorträgen, vergangenen Herbst legte sie mehrere Stopps an Hochschulen ein. Und bei einer auch im Internet übertragenen Podiumsdiskussion mit ihr und dem K.I.Z.-Rapper Maxim über Geschlechterbilder im HipHop punktete sie mit schlagfertigen Statements zum Thema Schule, Sexismus und Diskriminierungsstrukturen, während Maxim das Klischee vom unreflektierten Rapper bestätigte. Sookee spricht ihre Position klar aus: „Ich hab keinen Bock, moralisch zu argumentieren, ich hab Bock, politisch zu argumentieren. Mir geht es nicht darum zu sagen: ‚Es wird immer alles schlimmer, ihr seid schuld daran und die Pornografisierung ist sowieso ganz furchtbar.‘ Ich finde, Pornografie ist eine ganz tolle Erfindung, kommt halt drauf an, wie die Inhalte sind. Ähnlich wie mit Rap. Ich find HipHop total großartig, aber ich hab keinen Bock, dass ständig irgendjemands Mutter gefickt wird und alle lachen drüber und ich nicht und viele anderen auch nicht, aber die, die nicht gelacht haben, die haben halt den Witz nicht verstanden.“

Linker Gegenpol

Zur sexistischen Mehrheit im Rap will das linke Kollektiv „TickTickBoom“ einen Gegenpol bilden. Auch Sookee ist Teil dieses Projekts von KünstlerInnen aus verschiedenen Nischen des HipHops. Anfang des Jahres fand die erste sogenannte „Zeckenrap Gala“ in Berlin und Hamburg statt, und morgen am Freitag tritt Sookee mit dem Rap-Trio Neonschwarz aus dem TickTickBoom-Verbund im About Blank auf.

■ Sookee u. a.: About Blank, Fr., 23.59 Uhr, Markgrafendamm 24c