Das Riechorgan der Fruchtfliege: Supernase auf sechs Beinen
Frucht- und Essigfliegen können Sprengstoff und Drogen riechen. Die Erkenntnisse über ihr Riechorgan könnten helfen, künstliche Nasen herzustellen.
Drosophila, die Frucht- oder Essigfliege, ist ein Stammgast in unserer Küche. Sie riecht Obst- und Kompostgerüche schon von Weitem. Doch Wissenschaftler der University of Sussex haben nun herausgefunden, dass sie auch sehr gut chemische Stoffe wie etwa Sprengstoff oder Drogen erschnüffeln kann.
Das Forscherteam unter Leitung des deutschen Neurowissenschaftlers Thomas Nowotny hat die winzigen Insekten mit verschiedenen Duftstoffen konfrontiert und mit einer Art Mini-EEG gemessen, ob und – wenn ja – welche Geruchsneuronen dabei in ihren Gehirnen aktiviert wurden.
Unter den Duftstoffen waren fruchtige Aromen, beispielsweise von Wein und Essig, von denen man annehmen durfte, dass sie den Fliegen gefallen würden. Aber man setzte sie auch Gerüchen von Substanzen aus, die normalerweise nicht auf der Drosophila-Agenda stehen – etwa von Sprengstoff, Drogen und verkohlten Holzstücken.
Wie zu erwarten, lösten 80 Prozent der Fruchtgerüche neuronale Aktivitäten aus. Bei den fruchtfremden Gerüchen waren es jedoch auch 60 Prozent. „Und die Fliegen reagierten etwa auf Sprengstoffe genauso akkurat wie auf Fruchtgeruch, der ihr alltägliches Verhalten bestimmt“, berichtet Nowotny.
Prinzipiell besitzt also die Fruchtfliege alle Voraussetzungen zum Spürhund auf sechs Beinen. Man könnte sie zwar nicht per Erziehung zum Drogenspezialisten ausbilden wie einen Hund, aber per Züchtung auf ein bestimmtes „Duftfachgebiet“ fokussieren.
Unlösbar bliebe aber ein Problem, wenn man etwa ein Päckchen LSD unter einer Kiste Äpfeln verstecken würde. Denn dann würde die Fliege als Spürnase definitiv ausfallen und sich auf die Früchte stürzen.
Künstliche Nase nachbauen
Nowotny erhofft sich daher von seinen Forschungen eher Hinweise darauf, wie man eine künstliche Nase zum Erschnüffeln bestimmter Stoffe konstruieren kann. Denn man kennt jetzt die betreffenden Rezeptorneuronen in den Fliegenhirnen, und nun kann man herangehen, diese im Labor nachzubauen. Wobei es nicht nur um den Einsatz in der Drogen- oder Sprengstofffahndung geht.
Nowotny könnte sich die künstlichen Nasen auch in der Lebensmittelbranche vorstellen, um etwa verdorbene Lebensmittel zu erkennen. Oder auch in der Atemluftanalyse. Denn von Hunden ist schon länger bekannt, dass sie an der Atemluft eines Menschen erkennen können, ob dieser Krebs hat.
Doch für ihren Einsatz in der Medizin müsste man die Vierbeiner langwierig abrichten, damit sie wirklich zuverlässig anschlagen, wenn sie eine Tumor riechen. Dieses Problem hätte man bei einer künstlichen Nase nicht.
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