Amtsträger wird abgesägt

Nideggens Rathauschef soll weg – und keiner sagt warum

Jahrelang herrschte in Nideggen Friede, Freude, Eierkuchen zwischen der CDU und dem von ihr gestellten Bürgermeister Willi Hönscheid. Im Mai war er von den Bürgern im ersten Wahlgang im Amt bestätigt worden. Vor einem Monat hatte die CDU Hönscheids Haushaltsführung abgesegnet. Doch jetzt will die Partei ihn abwählen lassen. Begründung: Ein „gestörtes Vertrauensverhältnis“.

Was zu dem einstimmig gefassten Beschluss der CDU-Fraktion geführt hat, will Fraktionschef Werner Löhrer frühestens am 20. Dezember öffentlich machen, dann wird der Rat über den Abwahlantrag entscheiden. Sagen wollte er nur so viel: „Es ist eine politische Entscheidung“. Bei der Abstimmung rechnet Löhrer mit Unterstützung von SPD, Grünen, Unabhängigen und FDP.

Die SPD hat sich bereits auf Hönscheids Abwahl festgelegt. Die Sozialdemokraten hätten seit Jahren „ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis“ zum Amtsträger, sagt Fraktionsvorsitzender Wolf Dieter Keß. Der Bürgermeister habe einen Hang zu „willkürlichen Entscheidungen“. Ein Gemeindegrundstück sei weit unter dem vom Rat festgesetzten Preis verkauft worden.

Auch die Grünen bringen Hönscheid wenig Liebe entgegen. Sie klagen nicht nur über den „fehlenden Informationsfluss“, sie stoßen sich vor allem daran, wie Hönscheid die „Giftschule“ am Ort behandelt habe. Dort kämpft seit fünf Jahren eine Elterninitiative gegen krank machende Giftstoffe in der Raumluft (taz berichtete). Die Behörden samt Bürgermeister bestreiten jedoch die Schadstoffbelastung. Ein ehemaliger Lehrer hat des Schulzentrum nun vor dem Aachener Landgericht auf 70.000 Euro Schmerzensgeld verklagt.

Die Klage könnte ein letzter Anlass für die Demission des Bürgermeisters sein. Könnte, hätte, würde – im Eifelstädtchen kocht die Gerüchteküche, weil die CDU der Öffentlichkeit keine genauen Gründe für den Abwahlantrag nennen. Auch von privaten Schulden des Bürgermeisters ist die Rede.

„Da ist nichts dran“, sagte Hönscheid zur taz. Auch die Lehrer-Klage habe keine Chance auf Erfolg. Nein, den CDU-Antrag könne er nicht nachvollziehen. Er sei „sehr enttäuscht“ von seinen politischen Freunden. Gesprochen hätten sie bislang nicht mit ihm. Doch an einen freiwilligen Rücktritt denkt er trotzdem nicht.

Sollte der CDU-Antrag bei der Rats-Sondersitzung am 20. Dezember eine Zweidrittel-Mehrheit finden, muss nach NRW-Gemeindeordnung innerhalb von drei Monaten eine Abstimmung stattfinden. Sollten sich dann 25 Prozent der Wähler für die Abwahl aussprechen, kann ein neuer Bürgermeister gewählt werden.

Trotz Schleudersitz scheint ein neuer nicht schwer zu finden. Laut CDU-Mann Löhrer haben sich schon fünf Kandidaten bei ihm gemeldet. JÜRGEN SCHÖN