Ein leerer Ballon

Die Veranstalter von Tour de France, Giro d’Italia und Vuelta, wollen im nächsten Jahr nicht mehr Teil der Pro-Tour sein. Der selbst ernannten „Formel 1 des Radsports“ droht damit das Aus

VON FRANK KETTERER

Wenn Pat McQuaid über die Pro-Tour reden muss, verwandelt er sich schnell zu einem wackeren Kämpfer für das Gute. Der Ire ist seit Ende September schließlich Präsident des Internationalen Radsport-Verbandes UCI, die Pro-Tour, als eine Art Formel 1 des Radsports konzipiert, die weltweit herausragende Rennserie des Weltverbandes. Beides, Amt wie Serie, hat McQuaid vom Holländer Hein Verbruggen, seinem großen Mentor, übernommen. Entsprechend hegt und pflegt der Nachfolger das Erbe im Sinne seines Vorgängers.

Das Problem dabei ist, dass die Pro-Tour schon unter dem eher diktatorisch agierenden Hein Verbruggen ein heiß diskutiertes bis umstrittenes Projekt war, vor allem die Organisatoren der großen drei Landesrundfahrten, also Tour de France, Giro d’Italia sowie Vuelta, sahen ihre Interessen darin nicht ausreichend vertreten und sich in ihrer Autonomie beschnitten. Bei der Premiere im letzten Jahr mitgemacht haben sie dennoch, wenn auch überaus zähneknirschend. Nun aber droht der Bruch. „Die Beibehaltung der Vereinbarung von 2005 hat keinen Sinn, denn mit dieser Übergangslösung war nur beabsichtigt, zu einer endgültigen Lösung mit der Pro-Tour zu kommen“, sagte Patrice Clerc, der Präsident der Amaury Sport Organisation, dem unter anderem die Tour de France gehört, am Freitag in Paris. Da auch nach mehrfachen Verhandlungen keine Annäherung in Sicht ist, drohen die Konsequenzen: Schon im nächsten Jahr werden die drei großen Rundfahrten nicht mehr Teil der Pro-Tour sein. Ab 2007 wollen sie gar eine eigene Wertung einführen, die den Name „Trophée Trois Grands Tours“ tragen könnte und die mit 2 Millionen Euro dotiert sein soll. Pat McQuaid darf das durchaus als Drohung auffassen, entsprechend verteilt er die Rollen: hier er, der gute UCI-Präsident mit seiner guten Pro-Tour, dort die bösen Veranstalter der Rundfahrten, denen es nur um den Profit geht. „Die Mission der UCI ist es, den Sport zu entwickeln. Der Tag, an dem man kommerzielle Aspekte das Reglement diktieren lässt, wird ein trauriger Tag für den Sport“, fasst McQuaid das in Worte. Das ist zwar ziemlich blumig formuliert, so ganz den Realitäten aber entspricht es nicht. Die Einführung der neuen Serie, der insgesamt 28 Rennen angehören, hat der UCI nämlich durchaus einen warmen Geldregen beschert: Schließlich mussten die 20 Teams für die Pro-Tour-Lizenz eine einmalige Aufnahmegebühr von 100.000 Euro berappen, jährlich kommen weitere 50.000 Euro hinzu. Macht bei einer Lizenzlaufzeit von vier Jahren immerhin 5 Millionen Euro. Als Gegenleistung verspricht die UCI den Teams eine vierjährige Planungssicherheit, Auf- und Abstieg sind nicht vorgesehen. Selbst erfolglose Mannschaften besitzen für diesen Zeitraum eine Startgarantie bei den Saisonhighlights, allen voran Tour de France, Giro und Spanien-Rundfahrt.

Genau dieses System ist nun gefährdet. „Die UCI hat den Teams einen leeren Ballon verkauft“, sagt entsprechend ein Insider – und meint damit in erster Linie das Versprechen der sicheren Tour-de-France-Teilnahme, das die UCI nach den neuesten Entwicklungen nicht mehr halten könnte. Zwar haben die „Großen drei“ bereits angekündigt, zumindest im nächsten Jahr die Einladungen zu ihren Rennen nochmals nach der Pro-Tour-Rangliste des Jahres 2005 aussprechen zu wollen, danach aber soll eine eigene Wertung über Sein oder Nichtsein beispielsweise bei der Tour de France entscheiden.

Die Pro-Tour könnte das recht schnell in die Bedeutungslosigkeit stürzen – wenn nicht sogar ins Aus. Zumal den Organisatoren der drei großen Rundfahrten auch weitere hochkarätige Rennen wie Paris–Nizza, Paris–Roubaix oder Mailand–San Remo gehören. „Wenn sich die Veranstalter durchsetzen, glaube ich nicht, dass es noch eine Pro-Tour-Serie mit entsprechender Wertung geben wird“, sagt entsprechend Hans-Michael Holczer, der Teamchef des deutschen Pro-Tour-Rennstalls Gerolsteiner. Nicht nur Gerolsteiner-Boss Holczer hofft deshalb, dass die Kontrahenten noch einmal Vernunft walten lassen – und ein letztes Mal an den Verhandlungstisch zurückkehren.